„Deis isch genau mein Plotz“

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Anja Stecher, Jg. 1975, aufgewachsen in Lichtenberg und in Prad, lebt heute in Bozen. Über den Verein „Asante“ unterstützt sie eine Volksgruppe der Massai in Tansania Anja Stecher, Jg. 1975, aufgewachsen in Lichtenberg und in Prad, lebt heute in Bozen. Über den Verein „Asante“ unterstützt sie eine Volksgruppe der Massai in Tansania

Die Krankenschwester Anja Stecher ist seit drei Jahren Koordinatorin in der Palliativstation der Stiftung St. Elisabeth in Martinsbrunn. Sie hat nicht nur ein Herz für die Menschen in der letzten Lebensphase, sondern auch für die Volksgruppe der Massai in Tansania, die sie mit dem Verein „Asante“ unterstützt.

von Magdalena Dietl Sapelza

Es war ein einschneidender Moment im Leben von Anja, als sie im Juni 2021 beschloss, ihren Dienst in der Marienklinik in Bozen nach 24 Jahren zu kündigen. Nach der Corona Pandemie war sie so mit den Kräften am Ende, dass sie sich sagte: „Iatz reichts“. Sie entschied sich für eine Auszeit bei den Massai in Tansania. „I hon a des Gejammere auf hohem Niveau pa inz do nimmr hearn kennt“, erklärt sie. Kennengelernt hatte sie den afrikanischen Volksstamm 2016 durch das Hilfsprojekt „Irma hilft“ und dann im Rahmen ihres Verein „Asante“, den sie 2017 mitgegründet hatte. Alle Mitglieder des Vereins arbeiten ehrenamtlich, sammeln Spenden und unterstützen seither Projekte in den Bereichen Bildung, Krankenversorgung, Kinderbetreuung, Bau von Tiefbrunnen und einiges mehr. Anja und ihr Team verbürgen sich dafür, dass die Mittel eins zu eins bei den Massai ankommen. Und sie überwachen die Projekte vor Ort. Ihren Flug nach Tansania und den Aufenthalt dort bezahlen sie aus eigener Tasche.
Anja lebte mit ihren Eltern und ihrem jüngeren Bruder zuerst in Lichtenberg und dann in Prad. „Als Zuigschmeckte hon is in dr Klass nit olm leicht kopp“, verrät sie. Nach Abschluss der Mittelschule besuchte sie die Frauenfachschule in Mals und dann die Krankenpflegeschule bei den Tertiarschwestern in Bozen. „I hon olm weit aweck gwellt“, erklärt sie. „Unt in der Stodt hon i mi a sehr wohl gfühlt.“ Die Tertiarschwestern führten auch die Marienklinik und das Heim, in dem Anja wohnte. Neben der Theorie stand auch Praxis im Bozner Krankenhaus auf dem Stundenplan. Die erste Praxisstunde ist ihr noch lebendig in Erinnerung. Wegen mangelhafter Italienischkenntnisse wusste sie nicht, was eine „padella“ (Topf) ist. Doch sie lernte schnell, auch bei geselligen Treffen in der Altstadt. Nach Abschluss der Ausbildung bezog sie in Bozen eine Wohnung und trat eine Stelle in der Abteilung Gefäß- und Thoraxchirurgie im Krankenhaus Bozen an. Obwohl ihr die Arbeit dort gefiel, setzten ihr die Nachtschichten zu, in denen sie für frisch operierten Patienten oft die alleinige Verantwortung tragen musste. Da eine Versetzung in eine andere Abteilung nicht möglich war, kontaktierte sie die Schwestern in der Marienklinik. Sie wurde mit offenen Armen aufgenommen. Im Laufe der Jahre lernte Anja dort alle Abteilungen kennen. Und sie lernte auch Peter kennen, den sie 1998 heiratete und dem sie zwei Kinder schenkte. Doch die Ehe zerbrach. Es folgten schwierige Jahre, in denen sie sich neu orientierte.
Von Arbeitskolleginnen erfuhr sie von „Irma hilft“, einer Initiative, die sich für die Massai in Tansania einsetzt. Anja sammelte Geld für die Initiative. Während ihres Urlaubs 2017 reiste sie mit ihren Kolleginnen erstmals zu den Massai. In einem Dorf trafen sie auf vier Waisenkinder, von denen das Zwillingpaar erst wenige Monate alt war. Anja und ihre Begleiterinnen beschlossen, sich um die Kleinen zu kümmern. Sie verpflichteten eine Ziehmutter, sorgten für Unterkunft und Lebensunterhalt. Daraufhin gründeten sie den Verein „Asante“. Der Verein ist mittlerweile im Register des „Dritten Sektors“ eingetragen und gibt genau Rechenschaft über die Verwendung der Spenden.
Während ihrer Auszeit 2021 lebte Anja bei den Massai. Mit den Frauen verständigte sie sich mit Gestik und Mimik, mit den Männern in einfachen Sätzen in englisch und in italienisch. Mittlerweile versteht sie auch ein wenig die Sprache Swahili. Nur die engsten Familienmitglieder und Freunde erreichten sie telefonisch. „Dia Auszeit hon i für miar gebraucht“, betont Anja. Nach drei Monaten kehrte sie wieder nach Südtirol zurück. Kurz darauf bekam sie das Angebot aus der Palliativstation Martinsbrunn. Verunsichert bat sie um einen Tag Probe. Doch schon nach der ersten Stunde sagte sie zu. „Deis isch genau mein Plotz“ spürte sie. Seither umsorgt sie dort die Patientinnen und Patienten und kümmert sich auch um deren Angehörige. „Do tua i genau deis, wos mi bewogn hot, Kronkenschwester zu wearn“, betont sie. In der Palliativstation wird ihr Tag für Tag bewusst, dass es gilt, das Leben selbstbestimmt und aktiv zu leben und mutige Entscheidungen zu treffen nach dem Motto: „Deis tua i iatz“. Anja genießt ihre freien Tage heute ganz bewusst mit ihren Lieben, oft auch zusammen mit ihrem Partner Diego aus Venedig, mit dem sie eine harmonische Fernbeziehung pflegt und der sie auch schon nach Tansania begleitet hat.

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