Spezial-Bauen & Sanieren - „Imitierte Materialien wie etwa Kunststoff in Holzoptik sucht man in unseren Bauten vergebens“

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Martin Pinggera, geb. 1988,  Laatsch 2015 Abschluss Masterstudium Architektur in Innsbruck;  2016 – 2018 Mitarbeiter architectura La Chasa in Müstair 2018 Eintragung in die Kammer der Architekten 2019 Gründung Modunita architects SA,  2019 SIA Architekt (Schweizerischer Ingenieur- und  Architektenverein) Martin Pinggera, geb. 1988, Laatsch 2015 Abschluss Masterstudium Architektur in Innsbruck; 2016 – 2018 Mitarbeiter architectura La Chasa in Müstair 2018 Eintragung in die Kammer der Architekten 2019 Gründung Modunita architects SA, 2019 SIA Architekt (Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein)

Architekteninterview mit Martin Pinggera

Vinschgerwind: Ihr Architekturbüro befindet sich seit 2019 in Müstair. Warum haben Sie diesen Standort gewählt?
Martin Pinggera: Nachdem ich 2015 mein Architekturstudium an der Universität Innsbruck abgeschlossen habe, stellte sich für mich die Frage, ob ich mich gleich selbstständig machen möchte oder noch einige Jahre Berufserfahrung sammeln sollte. Zufällig erfuhr ich, dass das Architekturbüro „La Chasa“ in Müstair nach einem Architekten sucht. Dies eröffnete mir dann die Möglichkeit, Erfahrungen in einer etwas anderen Baukultur zu sammeln. Nach 3 Jahren erfolgreicher Zusammenarbeit gründeten meine damaligen Arbeitgeber Linard Andri, Ivan Zangerle und ich 2019 gemeinsam das Architekturbüro „Modunitá architects“.

Vinschgerwind: Was bedeutet der Name „Modunitá architects“?
Pinggera: Modunitá leitet sich aus den rätoromanischen Wortteilen modul und unitá her. Modul steht für Element, unitá für Einheit. Architektur versteht sich gewissermaßen als eine Zusammenfügung von verschiedenen Elementen, daher der Name.

Vinschgerwind: Wie gelang es Ihnen als junger Architekt Fuß zu fassen – speziell in der Schweiz?
Pinggera: In der Schweiz Fuß zu fassen wäre für mich als Südtiroler sicher schwierig gewesen, hätten meine Geschäftspartner nicht bereits einige Referenzprojekte vorzuweisen und Kontakte im ganzen Tal gehabt. Seit zwei Jahren haben wir zu meiner Freude nun auch in Südtirol Aufträge und zunehmend können wir unseren Tätigkeitsbereich auch in Südtirol und im norditalienischen Raum ausweiten. So durften wir zum Beispiel bereits Einfamilienhäuser in Taufers, Laatsch und Lichtenberg planen, sowie verschiedene Aufträge für die Landwirtschaftliche Hauptgenossenschaft annehmen.

Vinschgerwind: Sie arbeiten grenzüberschreitend an Bauprojekten. Wie schaut die Auftragslage derzeit aus?
Pinggera: Momentan sieht die Auftragslage recht gut aus. Einige unserer Kunden haben erst durch die von der Coronapandemie bedingte Entschleunigung Zeit gefunden, sich mit dem Gedanken des Bauens auseinanderzusetzen. Andere wiederum mussten ihr Bauvorhaben aufgrund finanzieller Schwierigkeiten zwischenzeitlich aufs Eis legen.

Vinschgerwind: Was ist die größere Herausforderung, die Planung eines Projektes oder dessen Realisierung?
Pinggera: Planung und Realisierung eines Projektes sind in meinen Augen nicht einfach voneinander abzugrenzen. Beides geht Hand in Hand und steht in einer gewissen Wechselwirkung.
Grundsätzlich ist es aber so, dass eine gut durchdachte Vor- und Planungsarbeit die Realisierung des Projektes vereinfacht.

s34 5518Vinschgerwind: Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?
Pinggera: In jedem einzelnen Projekt steckt viel Arbeit und Herzblut. Stolz bin ich deshalb auf jedes vollendete Projekt. Besonders stolz können Architekt*innen aber sicherlich sein, wenn positive Rückmeldungen von den Bauenden kommen, zum Beispiel, dass sie sich in ihrem neuen Heim wohl fühlen.

Vinschgerwind: Wie würden Sie Ihren Baustil beschreiben?
Pinggera: Mein Baustil zeichnet sich durch eine einfache Formensprache, Natürlichkeit und Funktionalität aus.

Vinschgerwind: Sie haben es mit unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben zu tun. Welche Unterschiede gibt es zwischen Südtirol und Graubünden? Was ist einfacher, was komplizierter?
Pinggera: Grundsätzlich ist der bürokratische Aufwand in der Schweiz merklich geringer als in Südtirol. So sind auch die gesetzlichen Vorgaben einfacher und unkomplizierter geregelt. Beispielsweise kann in der Schweiz Jede*r ein Bauprojekt einreichen. Man benötigt keine besondere berufliche Voraussetzung. Vorteilhaft in Südtirol ist die zunehmende Digitalisierung der Bauakten. welche allerdings in den Startlöchern steht und noch nicht ganz ausgereift ist.

Vinschgerwind: Sie planen Neubauten und Sanierungen – in welchem Verhältnis?
Pinggera: Das Bewusstsein für den Erhalt von Tradition und Kultur und die Wertschätzung für alte Bausubstanz ist in Graubünden groß. Historische Wirtschaftsgebäude und Wohnhäuser werden deshalb saniert und revitalisiert. Das entspricht der Philosophie von „Modunitá architects“.

Die Erhaltung dieser Strukturen und die Stärkung der Dorfkerne ist uns ein besonderes Anliegen.

Vinschgerwind: Unterscheiden sich die Ansprüche der Schweizer Bauherren von jenen in Südtirol?
Pinggera: Während der Architekt in der Schweiz sämtliche Aufgaben, vom Entwurf bis zum Einzug ins neue Haus, und auch darüber hinaus übernimmt, ist es in Südtirol häufig so, dass ab dem genehmigten Projekt Aufgaben vom Bauherren selbst übernommen werden. In der Schweiz ist es üblicher, dass wir auch die gesamte Innenausstattung planen dürfen das beinhaltet zum Beispiel auch das Designen von Möbeln, die Planung der Küche und Detailplanungen in verschiedenster Hinsicht.

Vinschgerwind: Gibt es Unterschiede im Geschmack… bei der Wahl der Materialien?
Pinggera: Nein, eigentlich nicht. Allerdings zeigen sich Unterschiede im Flächenbedarf. In der Schweiz fallen die einzelnen Räume meist größer aus.

Vinschgerwind: Sind die Schweizer bei modernen Bauten so offen wie viele Vinschger?
Pinggera: Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Aber Interessanterweise sind es meist gerade ältere Kund*innen, die uns in der Gestaltung freie Hand lassen und offen für Neues sind.

Vinschgerwind: Welches ist Ihr bevorzugtes Material?
Pinggera: Am liebsten verwenden wir Materialien aus natürlicher und regionaler Herkunft wie Holz, Stein, Lehm, Hanf oder Glas. Imitierte Materialien wie etwa Kunststoff in Holzoptik sucht man in unseren Bauten vergebens.

Vinschgerwind: Wie viele Treffen mit den Bauherren braucht es für ein Projekt?
Pinggera: Das ist von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Grundsätzlich ist es uns wichtig, dass wir einen regelmäßigen Austausch mit den Kund*innen pflegen und diese von Anfang bis zum Ende betreuen und in Entscheidungen einbinden. Mit manchen Bauenden stehe ich z.B. im täglichen Austausch.

Vinschgerwind: Wie gehen Sie an ein Projekt heran?
Pinggera: Bei einem Erstgespräch werden Bedürfnisse, Vorstellungen und Ansprüche erhoben. Als zweiter Schritt steht eine Analyse der kontextuellen Gegebenheiten an. Das heißt, ein Gebäude mitten in der Natur bedarf einer anderen Herangehensweise als ein Gebäude im urbanen Raum. Dann wird eine Broschüre mit dem gesamtkonzept ausgearbeitet. Dann wird das Projekt mit dem Kunden diskutiert und gemeinsam daran gefeilt.

Vinschgerwind: Kann man sich in Südtirol Euch als schweizer Architekten überhaupt leisten?
Pinggera: Ja natürlich. Unser Honorar wird der Berechnung der jeweiligen Architektenkammer beziehungsweise Vereinigung angepasst.
Vinschgerwind: Zukünftiges Bauen– welche Entwicklung sehen Sie?
Pinggera: Das Bauen in der Zukunft wird sich in mehrerlei Hinsicht verändern. Zum einen zeigt sich bereits in der Gegenwart ein höheres Bewusstsein für Klima- und Umweltschutz und damit der Wunsch zu mehr Nachhaltigkeit und ökologischer Bauweise.
Das Bauen hat sich bis heute bereits so weit entwickelt, dass es möglich ist, Hochhäuser in Holzbauweise zu errichten. Außerdem spielt die Erarbeitung innovativer Energiekonzepte, sprich – der Einsatz von regenerativen beziehungsweise alternativen Energien, eine zunehmende Rolle.
Auch wird es in Zukunft zu einem vermehrten Einsatz von digitalen Gebäudetechnologien („smart home“) kommen. Dies kann natürlich auch wieder zu einer Energieeinsparung beitragen. Zum Beispiel werden Temperaturen im Haus von Sensoren gemessen und automatisch reguliert.
Darüber hinaus glaube ich, dass durch das Streben nach Individualisierung und Flexibilität neue Wohnkonzepte erdacht werden müssen. Das Wohnen muss sich in Zukunft viel flexibler gestalten lassen und sich den unterschiedlichen Lebensstilen der Bewohner*innen anpassen. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt auf die Entwicklung und freue mich auf die Herausforderungen, die die Zukunft bringen mag.

Vinschgerwind: Abschließend noch etwas Privates: Wie wohnen Sie? Und wie müsste Ihr Traumhaus ausschauen?
Pinggera: Meine Partnerin und ich wohnen recht einfach, ohne jeglichen Luxus, in einem Wohnhaus, das schon seit mehreren Generationen von meinen Vorfahren bewohnt wurde. Die Planung eines Eigenheimes ist für mich vielleicht die größte Herausforderung. Grundsätzlich wird das Haus der Bauphilosophie von „Modunitá architects“ entsprechen, die einen stimmigen Dialog zwischen Alt und Neu, zwischen Natürlichkeit, Nachhaltigkeit und ideale Nutzung vorsieht. Darüber hinaus sind mir die Nähe zur Natur und ein enger Bezug zwischen Innen und Außenraum wichtig. Die Gestaltung des Außenbereichs hat für mich einen großen Stellenwert.
Vinschgerwind: Was würden Sie gerne einmal planen?
Generell reizt mich jede neue Herausforderung. Sicherlich sind für mich aber Projekte im öffentlichen und kulturellen Bereich besonders spannend.

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