„Ich habe geschi...., nicht geschossen“ (1. Teil)

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Aus dem Gerichtssaal - Den 22. Oktober 1941, einen Mittwoch, werden die Schliniger Johann Angerer und Josef Patscheider ihr Leben lang nicht vergessen haben. Die beiden damals Vierzigjährigen hatten für Deutschland optiert und standen kurz vor der Auswanderung ins „Reich“. Unter den Optanten herrschte die Stimmung: Wenn wir schon gehen müssen, dann lassen wir den „Walschen“ so wenig als möglich, weder an Wald noch an Wild, und so wurde auch auf alles geschossen. An diesem folgenschweren Tag gingen die beiden Schliniger mit geliehenen Gewehren „inni“, also in Richtung Val d’Uina ins Grenzgebiet zur Schweiz. Am gleichen Tag waren auch zwei Schweizer Grenzwächter, der Gefreite Fritz Mösle und sein Kollege Armin Kühnis, beide vom Zollposten Sur En, in der Gegend auf einer zweitägigen Diensttour unterwegs. Sie hatten auf der Lischanahütte übernachtet und setzten von dort ihren Kontrollgang in Richtung Sursass und Val d’Uina fort. Es hatte bereits geschneit. In der Nähe der kleinen Rimsseen bemerken die Grenzwächter Fußspuren und Blut im Schnee, denen sie folgen. Für sie ist der Fall klar: Da müssen Wilderer mit ihrer Beute sein. Tatsächlich gewahren sie zwei Männer, die gerade beim „Holbmittogen“ sind; eine tote Gämse liegt neben ihnen. „Halt Grenzwache“, ruft Mösle von oben und gibt einen Warnschuss ab. Die Wilderer greifen sofort nach den Waffen und gehen in Deckung. Die Grenzer nehmen die Wilderer unter Beschuss, die das Feuer erwidern. Ein Schuss trifft den Gefreiten Mösle, der die Geröllhalde bis zum Bach hinunter kollert. Die Wilderer ergreifen die Flucht, der zweite Grenzer kümmert sich um seinen schwerverletzten Kollegen, der noch auf der Stelle verstirbt.
Die Schweizer setzen bereits am darauffolgenden Tag eine Belohnung von 500 Franken für die Ergreifung der Täter aus. Schon am Samstag werden Angerer und Patscheider verhaftet und ins Gefängnis von Schlanders gebracht. Nachdem sich der Kriminalfall auf Schweizer Gebiet ereignet hatte, verlangte das Kantonsgericht von Graubünden die Auslieferung der Beschuldigten. Zumal diese, wie die italienischen Ermittler den Schweizer meldeten, noch am Sonnabend „nach längerem Leugnen die Tat gestanden“ hatten. Diese verweigerten die italienischen Behörden mit dem Hinweis, dass die beiden Schliniger auch nach ihrer Option für Deutschland immer noch als italienische Staatsbürger zu betrachten waren und der Fall daher in die Zuständigkeit der italienischen Justiz fiel. Tatsächlich fand dann auch am 20. Mai 1943 vor dem Schwurgericht in Bozen der Prozess statt, über dessen überraschenden Ausgang wir ein andermal berichten werden.
Peter Tappeiner
Rechtsanwalt
peter.tappeiner@dnet.it

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