Dienstag, 21 August 2012 00:00

Ich bin dann mal weg

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Pfalzen/Südtirol

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LH Luis Durnwalder lädt die Presse nach Pfalzen, diese kommt vollzählig und Durnwalder nutzt das multimediale Forum, um seine Sichtweise zur Lage der Nation Südtirol, zum Verhältnis zur italienischen Regierung, zur Arbeit der Landesregierung und zu seinen Absichten für die Wahlen im nächsten Herbst darzulegen. Eine Stunde lang spricht Durnwalder in die Mikrofone und in die Notizblöcke, um danach dasselbe nochmals in einzelne Mikrofone und in einzelne Kameras zu diktieren.

von Erwin Bernhart

LH Luis Durnwalder hat sich ein Ablaufdatum verpasst. Er kandidiert bei den Wahlen im Herbst nächsten Jahres sicher nicht mehr. Nicht Journalisten haben ihm die Frage nach einer weiteren Kandidatur gestellt, Durnwalder hat sie im Anschluss seiner Ausführungen selbst in den Raum geworfen und rasch beantwortet. Vielleicht war dies das Wichtigste an der 22. Pfalzner Pressekonferenz vor einer Woche. Durnwalder hat das „in die Mikrofone-Sprechen“ zur Tradition werden lassen, der Presse-Tross ist ihm gerne gefolgt. Eine ganze Journalistengeneration hat sich an dem Mann, der seit 1989 Südtirol als Landeshauptmann vertritt, abgemüht, gerieben, hat sich lobend geäußert, Respekt gezollt, hat kritisiert. Politische Stärke haben ihm wohl alle zugestanden, zustehen müssen. Und nun soll dieser Landeshauptmann abhanden kommen? Ist diese Pressekonferenz, die Durnwalder als Landeshauptmann gegeben hat, tatsächlich die vorletzte gewesen?
Er werde sich auch nach seiner politischen Karriere zu beschäftigen wissen, mit seiner Familie, mit Lesen, auch mit Nachdenken über sich selbst, hat er in Pfalzen gesagt.
Noch ist er nicht weg. Noch ist er im Saft. Noch ist seine Beliebtheit in der Politikwelt Südtirols unübertroffen. Umfragen bestätigen dies.
Dass immer noch er sagt, wo’s lang gehen soll, hat er bei der Pressekonferenz bewiesen. Wenn auch mit wenig Neuem, so doch mit altem Nachdruck.
Das Verhältnis zur Regierung um Ministerpräsident Mario Monti ist so ein Wegweiser. Ein Maßstab für das Halten der Autonomie. Denn die Regierung um Monti ist keine gewählte, sondern eine technische Regierung. Eine eingesetzte, eine, die sich ausschließlich um die Sanierung des italienischen Haushaltes kümmern will. Das habe ihm Monti ins Gesicht gesagt. Monti kümmert sich einen Dreck um die Autonomie Südtirols. Monti s7_0776interessiert nur der Sparstift, das Eintreiben von Geld, Reformen, damit der Staat Italien an den Finanzmärkten Glaubwürdigkeit zurückerlangt, damit sich der Staat Italien frisches Kapital zu halbwegs erträglichen Zinsen besorgen kann, damit Italien in Europa, in der Eurozone bestehen kann.
Dafür soll auch Südtirol bluten. Durnwalder sagt, wenn die von der Regierung geforderten Geldmittel zusammengezählt werden, kämen unterm Strich 1,3 Milliarden Euro heraus. „Das ist unmöglich“, sagt Durnwalder. Im „Mailänder Abkommen“ habe man sich zu 500 Millionen Euro zur Entschuldung des Staates verpflichtet. „Das ist ein schöner Betrag“, so Durnwalder. 200 Millionen Euro habe man im laufenden Haushalt blockiert. Man werde mit der römischen Regierung verhandeln müssen. Zudem werde der Haushalt im nächsten Jahr um rund 200 Millionen Euro zurückgehen. Dann stünden nicht mehr 5,1 Milliarden, wie heuer, sondern rund 4,9 Milliarden Euro zur Verfügung.
„Beim finanziellen Teil sind wir grundsätzlich bereit, unseren Beitrag zu leisten“, sagte Durnwalder. Aber mit dem Staat sei eine Summe zu verhandeln und „wir werden dann bestimmen, wie wir diese Summe aufbringen können.“
Der schwierigere Teil sei, dass sich die Regierung um unsere Autonomie überhaupt nicht schere. Eine Bettenreduzierung in den Krankenhäusern, Personalabbau, die Fusion von Gemeinden, die Reduzierung von Gemeinderäten, der Landschafts- und Umweltschutz, die Konzessionen bei der Wasserkraft usw.: „Dafür sind wir zuständig, das sind Eingriffe in die Autonomie“, schimpfte Durnwalder.
„Die Autonomiebestimmungen werden ausgehöhlt und jedes Mal, wenn die Regierung ein Dekret erlässt, müssen wir zum Verfassungsgerichtshof gehen. Wir haben zurzeit ein Dutzend Anträge beim Verfassungsgericht“, sagte Durnwalder. „So geht es nicht.“
Wenn die Verhandlungen in den nächsten Monaten nichts fruchten, und wenn sich trotz Verfassungsgerichtsurteilen nichts bewegt, dann müssen wir Österreich informieren.
In diesem Zusammenhang erteilte Durnwalder den Bestrebungen nach Selbstbestimmung und den Bestrebungen nach einem Freistaat vehement eine Abfuhr. „Ich bin nicht einer, der die Leute an der Nase herumführen will. Man muss die Leute informieren, was möglich ist und was nicht.“ Das Paket sehe nicht einen Anschluss an Österreich vor, das Paket sehe eine Autonomie im Staate Italien vor. Italien würde uns sicher nicht gehen lassen. „Wer würde uns unterstützen? Nicht einmal Deutschland würde uns unterstützen“, sagte Durnwalder. Zum Freistaat: „Ein ganz kleiner Teil der Italiener in Südtirol würde mitmachen, aber die Italiener sind halt einmal Italiener und die wollen sicher nicht mitmachen.“ Es werde im Wahljahr mit dem Slogan Freistaat den Leuten ein x für ein U vorgemacht. „Wir müssen auf den Boden bleiben.“ Für die 20-Jahr-Feier zur Streitbeilegung werden die Staatspräsidenten Heinz Fischer und Giorgio Napolitano nach Meran kommen. „Wir sollen froh um unsere Autonomie sein, wenn auch derzeit Schwierigkeiten bestehen. Wir sollten diese Schwierigkeiten aus dem Weg räumen“, so Durnwalder.

Innerhalb des Landes sollen Kosten reduziert werden, in der öffentlichen Verwaltung etwa. Die Beratungen und die Prozesskosten sollen zurückgefahren werden. Abteilungen sollen zusammengelegt werden, wie es bereits bei der Energie und dem technischen Umweltschutz geschehen ist, oder bei Urbanistik und Landschaftsschutz.
Bei den drei Schulämtern kann sich Durnwalder eine Zusammenlegung der Verwaltungen vorstellen.
Die Personalreduzierung werde man so bewerkstelligen, dass Leute, die in Pension gehen, nicht mehr ersetzt werden.
Auch bei den Politikergehältern müsse man den Mut zu Reduzierungen haben. „Ich glaube, dass die Politikergehälter um 20 Prozent reduziert werden sollten“, sagte Durnwalder. Damit würde man an letzter Stelle in Italien liegen. Auch werde es in Zukunft nicht mehr möglich sein, dass jeder Landesrat einen eigenen Dienstwagen hat. Das „ad personam“ sei vorbei.
„Eines ist sicher: Wir werden sicher nicht bei den Ärmsten, bei den Behinderten, bei jenen, die ein Mindesteinkommen benötigen, einzusparen beginnen. Wir werden die Sozialleistungen aufrecht erhalten“, sagte Durnwalder. Umschichtungen werde es allerdings geben. Und Prioritäten werde man setzen müssen.
Grundsätzlich könne man sagen, dass die Krise auch eine Chance sein kann. „Wir haben bisher aus vollen Töpfen geschöpft. Diese Zeit ist vorbei.“ Eigeninitiativen werden wohl vermehrt gefördert und Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privaten werden gesucht werden müssen. Man sei derzeit bei einer Arbeitslosenquote von 3,3 Prozent. Das sei auf der einen Seite schmerzhaft, auf der anderen Seite so schlimm auch wieder nicht.
Der Tourismus sei mit 6 Millionen Touristen und 29 Millionen Übernachtungen an eine Grenze angelangt. Verglichen mit anderen Gebieten stehe man gut da.
Man werde Wirtschaftsprogramme erstellen müssen: die Sanierung von Häusern stehe für Klein- und Mittelbetriebe an, die Kasernenareale usw.
Beim Export sei noch einiges zu tun. Da sei ein Sonderprogramm für die EOS erforderlich, für die Markterforschung. Es müssen mehr Waren im Export abgesetzt werden. Mit den lokalen Banken müsse man weiterverhandeln, über Kreditbedingungen für unsere Leute.
Ziel sei es, bis 2020 75 Prozent der Energie als alternative Energie bereitzustellen. „Ich persönlich möchte einen einzigen Strombetrieb im Lande, damit ein einheitlicher Stromtarif angeboten werden kann“, sagte Durnwalder. Der SEL-Skandal sei gar keiner. Wenn Verwalter Nebentätigkeiten abgewickelt hätten, dann habe das mit der SEL als solcher überhaupt nichts zu tun. Das andere sollen Gerichtsbehörden untersuchen. Seien wir froh, dass wir selber die Konzessionen vergeben können. Alle sollen gleich behandelt werden. Der Nutznießer der SEL sei die Bevölkerung.

Und dann legte Durnwalder noch die Marschrichtung des Landtages und der Landesregierung vor: das Toponomastikgesetz wolle man noch unter Dach und Fach bringen, das Urbanistikgesetz in vereinfachter Form, der LEROP soll noch verabschiedet werden, das Wahlgesetz, das Gesetz zur direkten Demokratie. Ein Bauspargesetz soll vorgelegt werden, ein koordiniertes Familiengesetz auch.
Will der Durnwalder wirklich gehen?


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