Mittwoch, 11 Oktober 2006 09:17

„I bin a schlechter Kämpfer gweesn“

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s157126Ein Brief aus Rom schockte 1930 die Familie Peer in Taufers. Der zehnjährige Heinrich stand neben seinem Vater, als dieser aufgeregt mit den italienischen Sätzen kämpfte. Er konnte ihm nicht helfen, obwohl er die italienische Schule besuchte. Ein Zollbeamter übersetzte das Schreiben schließlich. Der Wegmacher war nach Piemont versetzt worden. Sollte er sich nicht fügen, würde er vom Dienst suspendiert. „

Deis hot inz in groaße Verzweiflung gstürzt“, erinnert sich Heinrich. Aus Sorge, seine sechs Kinder nicht mehr ernähren zu können, beugte sich der Vater dem Bescheid. Vor dem schmerzlichen Abschied notierte er sich einige italienische Wörter wie „pane“, „bere“, „mangiare“ und brach nach Carignano in der Provinz Turin auf. Drei Jahre später wurde der Ort auch Heinrichs Zuhause. Die Menschen dort waren freundlich, wunderten sich jedoch, dass die Familie Südtirol verlassen hatte, wo doch Mussolini in Bozen Fabriken baute. Heinrich suchte den Kontakt zu Jugendlichen, vertiefte sein Italienisch, besuchte zusätzlich Englisch- und Französisch-Kurse und richtete seinen Blick auf das Gastgewerbe. 1938 fand er im „Hotel Alfieri“ in Alassio eine Stelle. Von Vorteil waren seine Deutschkenntnisse, denn die Mehrzahl der Gäste kam aus dem „Deutschen Reich“. Heinrich wunderte sich über das eingestempelte „J“ in deren Pässen. Bald war ihm klar, es waren Juden, die sich verzweifelt um Plätze auf Schiffen bemühten. Unzählige verließen das Land.
1939 erreichte den Vater erneut ein Brief. Er sollte sich entscheiden, ob er in Italien bleiben oder auswandern wollte. Es fehlte ihm die Kraft für einen erneuten Ortswechsel. Nach Ausbruch des Krieges musste Heinrich den Dienst im Hotel quittieren und mit den „Bersaglieris“ in Albanien gegen Griechenland kämpfen. Deutsche Truppen schlossen sich an und kurz darauf war Athen erobert, wo Heinrich eine pompöse Siegesfeier miterlebte. Ein deutscher Soldat verriet ihm, dass es nun nach Russland gehe. Das schreckte Heinrich auf. „I bin a schlechtr Kämpfer gweesn“, betont er. Um nicht an die Front zu müssen, bemühte er sich um einen Job in der italienischen Botschaft.Wieder halfen ihm seine Deutschkenntnisse. Bis 1943 konnte er dort bleiben, dann überschlugen sich die Ereignisse. Im Frühjahr erfuhr er vom Tod seines Bruders und im Herbst vom Tode seines Vaters. „Dr Bruadr isch pan Militär drkronkt, unt in Votr isch mit 56 Johr s Herz brochn“. Für Unsicherheit in der Botschaft sorgten Mussolinis Verhaftung und dessen Befreiung. Doch bald zeichnete sich das Ende des Krieges ab und Heinrich kehrte unversehrt zu seiner Familie zurück.
Als ihn seine  Mutter 1946 nach Taufers schickte, um nach ihrer Wohnung zu sehen, blieb er dort hängen. Beruflich fand er seinen Weg als „messo scrivano“ im Gemeindeamt, und privat fand er sein Glück mit der neun Jahre jüngeren Amalia Fliri aus Algund, die regelmäßig ihre „Sommerfrische“ in Taufers verbrachte. Im Juni 1954 führte er seine „Lia“ zum Traualtar und sechs Monate später schenkte sie ihm den Sohn Elmar. Auf die „frühe“ Geburt angesprochen erklärte Heinrich  humorvoll: „Di Unterlandler trogn nit längr“. Sechs Jahre später erblickte Sohn Herbert das Licht der Welt. 1973 zog die Familie in ihr neues Heim im Ortsteil „Pradatsch“. Nach seiner Pensionierung 1985 begann Heinrichs politische Karriere. Er wurde  in den Gemeinderat gewählt  und Vizebürgermeister. „ I bin pa dr oan Tür ausi unt pa dr ondr inni“, scherzt er. Bereits ein Jahr später war er Bürgermeister und blieb das neun Jahre lang.
Nun ist es ruhig um Heinrich geworden und er kämpft gegen die kleinen Beschwerden des Alters. Schlimm empfindet er die schwindende Sehkraft und die fehlende Mobilität mit dem Auto. Die derzeitigen Turbulenzen um die faschistischen Relikte verfolgt er mit Kopfschütteln. Es ärgert ihn, dass sich manche Menschen so ereifern. Er hat beide Seiten kennengelernt und schätzt Deutsche und Italiener. „Iaz wars gaach Zeit, dass ma mitnond auskimmp“, betont er. „Denn a setta schockierende Briaf wia vor 80 Johr kriag heint niamat mea.“

Magdalena Dietl Sapelza


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