Dienstag, 10 Oktober 2017 00:00

Langtaufers-Kaunertal auf der langen Bank

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s6 2263Langtaufers - Mit wachsender Ungeduld warten die Gesellschafter der Oberländer Gletscherbahn AG auf eine Entscheidung der Landesregierung. Das Projekt einer Verbindungsbahn zwischen Melag und dem Karlesjoch ist seit anderthalb Jahren in der Warteschleife.

von Erwin Bernhart

Die letzten Herbstgäste machen sich im Oberland, in Reschen, in Graun, in St. Valentin und auch in Langtaufers aus dem Staub. Die Hotels schließen.

Bis vor Weihnachten geht das Oberland in frühzeitigem Tourismuswinterschlaf. In anderen Landesteilen dagegen, in der Meraner Gegend etwa, ist Hochsaison. Der Oktober und bis weit in den November hinein herrscht dort Hochkonjunktur - und dann beginnen die Weihnachtsmärkte. Tourismus non stop. Die Ganzjahresdestination fängt, wenn überhaupt, ganz unten im Tal an.
Auf der anderen Seite - auf der Kaunertal-Seite sind die Lifte hinauf auf’s Karlesjoch seit Ende September geöffnet. Skifahren im Herbst - ein Angebot, welches durchaus angenommen wird. Einen Markt für diese verlängerte Wintersaison gibt es längst.
Auch diese Aussicht lässt in Langtaufers, im Oberland, in Nauders, im Obervinschgau auch, den Traum einer Ganzjahresdestination seit Jahren aufleben. Eine Verbindung mit dem Kaunertaler Gletscherskigebiet würde diesen Traum Wirklichkeit werden lassen, so die Überzeugung vieler Gastwirte, vieler Wirtschaftstreibenden, vieler Junggastwirte.

Dass vor allem auch die Verantwortlichen des Skigebietes Kauntertal auf die Verwirklichung dieses Traumes drängen, ist kein Wunder. Denn mehrere Faktoren sprechen, aus Sicht der Kaunertaler, für eine skitechnische Verbindung zwischen Langtaufers und dem Kaunertaler Skigebiet. Zum einen ist die Anfahrt übers Kauntertal bis hinauf zur Talstation lang und weit. So ist das Gästereservoir aus dem Oberinntal auf lange Sicht überschaubar geblieben. Zudem wenden die Kaunertaler reichlich Energie auf, die lawinengefährdete Straße hinauf ins Skigebiet im Winter offen zu halten. Ein Zubringer über Langtaufers würde beides entschärfen: das potenzielle Gästereservoir würde sich dann plötzlich von Mals bis Pfunds erstrecken, eine sichere Erreichbarkeit wär’ über Langtaufers bewerkstelligt. Das ist der Traum in Kaunertal.
Umgekehrt ist es die Überzeugung der Befürworter der Gletscherbahn, dass der Tourismus durch das Angebot des Gletscherskigebietes gerade im Obervinschgau bis nach Nauders profitieren wird können - durch die Saisonverlängerung im Herbst und im Frühling - durch eine neue Attraktion im Sommer - dadurch, dass eine Bahn von Melag hinauf auf’s Karlesjoch das Alleinstellungsmerkmal des ersten zwischen Süd- und Nordtirol länderübergreifenden Skigebietes hat. Die Träume in den Beherbergungsbetrieben sind groß und in viele Winkel verästelt.

s7 diagrammDie Erwartungshaltung ist ebenso groß. Im vorigen Jahr hat man begonnen Nägel mit Köpfen zu machen. Denn, was seit mehr als 30 Jahren in diversen Köpfen herumgespukt und als Traum verkauft worden ist, hat bislang keine ernsthaften Umrisse angenommen. Mit der Gründung der „Oberländer Gletscherbahn AG“, seit 15. Februar 2016 im Handelsregister eingetragen, hat das Gerede, hat der Traum von einer Verbindung Langtaufers-Kaunertal konkrete Konturen angenommen. „Gegenstand der Gesellschaft“, so steht es in den Akten an erster Stelle, „ist der Bau und die Führung der Kabinenbahn von Langtaufers zum Karlesjoch.“ Der Rechtssitz der Gesellschaft ist in Kappl, in Langtaufers. Zum Alleinverwalter ist Paul Jakomet ernannt.
Eine illustre Geselllschaft aus Tourismus, Wirtschaft und Privaten findet sich in der „Oberländer Gletscherbahn AG“. Von den beschlossenen 6 Millionen Euro wurden bisher 1.509.000 Euro gezeichnet und davon 427.125 Euro eingezahlt. Den Löwenanteil der Aktien, wie könnte es anders sein, hat die Kaunertaler Gletscherbahnen GmbH gezeichnet. Insgesamt sind allerdings an den „Oberländer Gletscherbahn AG“ 193 Gesellschafter beteiligt. Von der Anzahl her ein geballter Auftritt. Zudem wohlwollend unterstützt von der Wirtschaftskammer Tirols.

Ein vom Gemeinderat Graun mit großer Mehrheit befürwortetes Projekt liegt seit mehr als einem Jahr in Bozen zur Begutachtung auf. Einen ersten Rückschlag für die Gesellschafter gab es im Frühjahr: Der Umweltbeirat hat ein negatives Gutachten abgegeben. Es wurde nachverhandelt, denn die im Gutachten des Umweltbeirates beanstandete Pistentrasse, die Karlesjochpiste, wurde bereits im Vorfeld des Gutachtens von der Oberländer Gletscherbahn zurückgezogen. Seit einer Aussprache im Juli dieses Jahres in Bozen zwischen Vertretern der Gletscherbahn und Vertretern des Umweltbeirates herrscht Funkstille.

Am 12. September hat Landesrat Richard Theiner in der Fragestunde im Landtag dem Freiheitlichen Hannes Zingerle bezüglich der skitechnischen Verbindung Langtaufers Kaunertal  geantwortet:  Die Landesregierung hätte schon im Mai entscheiden können, aber die Gletscherbahnen AG habe eine Eingabe gemacht. Theiner hat eine Entscheidung für die nächsten Wochen angekündigt. Man werde das Projekt nach Umwelt- und skitechnischen Aspekten beurteilen. Das Umweltgutachten sei negativ ausgefallen, während die Betreiber natürlich positiv darüber urteilten. Die Involvierung der Bevölkerung sei vorgesehen, zur Machbarkeitsstudie seien 48 Stellungnahmen eingelangt, so Theiner.
Derweil werden von allen Seiten Forderungen hochgefahren. Die Mehrheit des Gemeinderates von Graun hat erst kürzlich die Landesregierung aufgefordert, sie möge dem Projekt einen positiven Bescheid erteilen. Aus Langtaufers kommen auch kritische Stimmen (sh. Vinschgerwind 18/2017). Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz ermahnt die Landesregierung, sich an das Gutachten des Umweltbeirates zu halten und spricht sich dezidiert gegen den Verbindungslift aus. Die Alpenvereine sprechen sich gegen eine solche Liftverbindung aus. Es geht um einen bislang  unberührten Hang.
In der letzten Woche wurde im Landtag über den Landesgesetzentwurf Nr. 135/17: Umweltprüfung für Pläne, Programme und Projekte (vorgelegt von der Landesregierung auf Vorschlag von Landesrat  Theiner) debattiert. Die Grünen haben zum Gesetzentwurf eine Tagesordnung eingebracht, mit der sie die Landesregierung verpflichten wollen, bei der Skiverbindung Langtaufers-Kaunertal die Ergebnisse des Umweltbeirats zu respektieren. Die Bevölkerung sei in der Frage gespalten, bemerkte Brigitte Foppa. In Langtaufers sähen die einen auf die Natur, die anderen auf die Wertschöpfung, im Kaunertal hoffe man auf eine sicherere Zufahrt und die Ausweitung des Skigebietes. Von Langtaufers aus sei es keine Erweiterung, es wäre, wie wenn man eine Autobahn an einen Feldweg anbindet. Der Umweltbeirat sehe im Projekt eine unwiederbringliche Veränderung einer bisher unberührten Landschaft. Auch andere Stellen hätten sich dagegen ausgesprochen. Die Grünen wollten eine Beamtendiktatur, hat Dieter Steger, der Fraktionsssprecher der SVP, dem entgegnet. Es brauche Entscheidungsträger in der Politik, sie hätten schließlich die letzte Verantwortung für die Maßnahmen. Der Grünenantrag wurde mit 4 Ja und 27 Nein glatt versenkt.
Die Debatte um die Liftverbindung von Langtaufers ins Kaunertaler Gletscherskigebiet spaltet. Umweltschutz hie, Wirtschaft da.

„Es geht um die Verbindung zweier Skigebiete“, sagt Paul Jakomet, der Geschäftsführer der Oberländer Gletscherbahn AG. Da sei es ganz normal, dass man in unberührte Natur komme. Es sei auch klar, dass jeder Eingriff eine Beeinträchtigung der Natur nach sich ziehe. „Wir haben immer mit offenen Karten gearbeitet“, sagt Jakomet, „und wir glauben schon, dass es jetzt Zeit ist, eine politische Entscheidung zu fällen.“  Es gebe mittlerweile mehrere positive Gutachten, für die Mobilität etwa,  für die Wirtschaftlichkeit, für den Gefahrenzonenplan, ein geologisches Gutachten, in dem lösbare Bedenken wegen des Permafrostes enthalten seien. Und dann gebe es noch das negative Gutachten des Umweltbeirates. „Nun soll die Landesregierung auch auf Basis dieser Gutachten entscheiden.“
Vom Umweltbeirat wird ein zweites Gutachten erwartet. In Langtaufers weiß man, dass der Umweltbeirat am 18. Oktober 2017 zusammentreten wird, um ein Gutachten über die neue Trasse zu verfassen. Wie auch immer dieses Gutachten ausfallen wird, die Landesregierung ist dann am Zug.
Wohlwissend, dass die Entscheidung, wie auch immer sie gefällt wird, einen Rekurs zur Folge haben wird.

 

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