Dienstag, 03 Februar 2015 00:00

Die kahlgesparte Peripherie

Aus dem Gerichtssaal - Dieser Titel ist mir im Zusammenhang mit den Bestrebungen der Landesrätin Martha Stocker eingefallen, bei den Bezirkskrankenhäusern einschneidende Einsparungen vorzunehmen. Der Gedanke drängt sich auf, weil wir in der Justiz im letzten Jahr im Zuge der von Mario Monti verordneten Sparmaßnahmen Opfer eines radikalen Kahlschlages geworden sind. Mit einem Federstrich wurden nämlich sämtliche über das Land verstreuten früheren Bezirksgerichte und späteren Außenstellen des Landesgerichts Bozen aufgelöst. Die vor den peripheren Gerichten anhängigen Verfahren und das gesamte Personal wurden an den Hauptsitz nach Bozen verlagert. Um sich über die Auswirkungen dieses „Kahlschlages“ ein Bild zu machen, sollten Sie an einem gewöhnlichen Donnerstag das Gerichtsgebäude in der Italienallee aufsuchen: in den Gängen wimmelt es wie in einem Ameisenhaufen, vor den Zimmern der Richter bilden sich regelrechte Schwärme aus Anwälten und anderen Verfahrensbeteiligten, bei einem Außenstehenden muss der Eindruck entstehen, sich in einem Tollhaus zu befinden. Doch war diese Entwicklung vorhersehbar: wenn nämlich über Nacht die peripheren Gerichtsstellen abgeschafft und alles am Hauptsitz in Bozen konzentriert wird, dann kommt es dort unweigerlich zu einer „Blähung“. Die Außenstellen, die noch eine Justiz mit „menschlichem Antlitz“ ermöglichten, weil sie überschaubar, bürgernah und nach menschlichem Maß waren, sind einem großen bürokratischen Apparat gewichen, in dem es dem Volk schwerfällt, sich vorzustellen, dass dort Recht in seinem Namen gesprochen wird. Was haben diese Überlegungen mit den vieldiskutierten Einsparungen in der Sanität zu tun? Nun, ich gebe zu, nur indirekt, eher als abschreckendes Beispiel. Denn wenn man den Gesundheitsdienst nur von der Kostenseite her betrachtet, dann könnte man es am besten machen wie mit der Justiz: man errichtet in Bozen ein einziges großes Landeskrankenhaus und konzentriert dort alle Abteilungen. Die rein medizinische Versorgung der Patienten wäre unter Umständen vielleicht optimal und kostengünstig obendrein. Was aber dabei auf der Strecke bliebe wäre das persönliche Verhältnis zwischen Arzt, Patienten und Pflegepersonal, welches auch durch noch so aufwändige und hochgerüstete Apparaturen nicht ersetzt werden kann.
Außerdem sollte man bei den geplanten Kürzungen auch einmal an deren volkswirtschaftliche Auswirkungen denken. Denn wenn ich das Gericht in Schlanders oder das Krankenhaus in Innichen auflasse, dann habe ich möglicherweise im jeweiligen Ressort eine Einsparung. Aber die Rechnung bezahlt dann letztendlich doch wieder die Bevölkerung: durch verlorene Zeit, aufwändiges Pendeln und die Entwertung der Peripherie. Dabei ist noch nicht einmal gesichert, ob das Land Südtirol auf Grund der sekundären Zuständigkeit im Sanitätswesen nicht die Möglichkeit hätte, eigene Wege zu gehen und sich von den römischen Vorgaben abzukoppeln. Bevor an voreilige Schließungen gedacht wird wäre es angebracht, ein fundiertes Rechtsgutachten darüber einzuholen, wie weit das Land in Sachen Sanität gehen kann, und dies bevor man den Kahlschlag an der Peripherie beginnt.
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt

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Publiziert in Ausgabe 3/2015

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