Dienstag, 03 September 2013 12:00

„Kostenersparnis war der Sinn und Zweck“

s35 4564Interview mit dem Architekten Kurt Stecher über das neue Rathaus in Prad a. Stj.

Vinschgerwind: Herr Architekt Stecher, welches waren – rückblickend – die größten  Herausforderungen beim Umbau und der Sanierung des Rathauses in Prad?
Architekt Kurt Stecher: Das Rathaus Prad war ein Bestandsgebäude, das in seinen wesentlichen Strukturen erhalten werden musste. Das war eine der Herausforderungen. Die Zweite war, dass wir die vorgegebenen Kosten nicht überschreiten durften. Denn Kostenersparnis war ja der Sinn und Zweck dieses Ankaufs. Also zum einen war die Einhaltung des vorgegebenen Kostenrahmens wesentlich und zum andern so viel als möglich vom Bestand zu behalten. Nachdem der ursprüngliche Bau der Raiffeisenkasse 1975 von mir stammt, waren die Voraussetzungen dafür gegeben, um mit den Ausführungsplänen die gesamten geplanten Umbauarbeiten kostengünstig durchzuführen.

Wie ist das neue Rathaus logistisch organisiert?  Welcher Ordnung folgt der Bau als öffentliche Anlaufstelle für die Bürger?
Der Haupteingang rührt noch vom alten Gebäude her und ist zentral vom Kreuzweg aus erreichbar und über einen architektonisch farblich gekennzeichneten Eingang gut sichtbar. Wir haben natürlich im Erdgeschoss versucht, die publikumsintensiven Ämter unterzubringen: Meldeamt, Standesamt, Steueramt, Gemeindepolizei und das Bauamt. Im 1. Stock haben wir dann die Verwaltungsbüros untergebracht: die Buchhaltung, das Sekretariat, der Gemeindesekretär, der Bürgermeister und der Raum für den Gemeindeausschuss, sowie ein Besprechungsraum für die Referenten. Neu dazugekommen ist das 2. Obergeschoss. Wir haben das Dachgeschoss, das beim ursprünglichen Altbau nicht nutzbar war, weil es zu nieder war, komplett abgebrochen und als neues Geschoss in Holz-Leichtbauweise aufgestockt. Dort ist die Forststation Prad untergebracht und der Bürgersaal, in dem auch die Ratssitzungen stattfinden werden. Das Kellergeschoss ist im wesentlichen unberührt geblieben, man hat die ehemaligen Archivräume und auch andere Räume wie z.B. die EDV-Räume oder die Heizräume, die man entsprechend aufgerüstet hat, übernommen.

Welchem architektonischen Konzept liegt das Projekt zugrunde?
Natürlich hat man die neue Funktion als Rathaus auch architektonisch hervorheben wollen. Durch den südwestseitigen Anbau des neuen Treppenhauses samt behindertengerechten Aufzug ergab sich ein breiterer südseitiger Baukörper, welcher sich gestalterisch und farblich vom nordseitigen hellgrauem Baukörper absetzt und gemeinsam das neue architektonisches Konzept darstellt.

Womit wir bei der nächsten Frage wären: Die Sprache des Architekten drückt sich auch über Materialien und Farben aus: Was spielt im eben fertig gestellten Bau zusammen, was kontrastiert?
Ursprünglich wäre geplant gewesen, die gesamte Fassade mit wetterfesten farbigen Zementfaserplatten einheitlich zu verkleiden. Diese wären farbig besser zur Geltung gekommen und das Gebäude hätte stärker optisch gewirkt. Aus Kostengründen konnte dies nicht verwirklicht werden. Es wurde ein verputztes Wanddämmsystem verwendet, deren rote und hellgraue Farben matter wirken. Die Außentüren und Fenster sind einheitlich neutral in Antrazithgrau gehalten. Im Prinzip sind ja auch die Fenster und Außentüren im Erd- und Obergeschoss ziemlich unverändert geblieben, um möglichst wenig in die alte Bausubstanz einzugreifen. Innen wurde im Erdgeschoss die Einrichtung mit der vorhandenen Eichenholz-Einrichtung ergänzt und die bestehende Holzdecke renoviert. Im 1. Obergeschoss wurden alle Einrichtungsmöbel und Einrichtungstrennwände aus dem Bestand in Kirschholz wieder verwendet. Im neu aufgestockten 2. Obergeschoss wurde der Bürgersaal komplett neu in Eiche eingerichtet. Die Forststation hingegen hatte den Wunsch ihre Einrichtung samt Dielenboden in einheimischen Lärchenholz auszuführen.

Welche Rolle spielt Licht im Rathaus?
Hauptsächlich im Dachgeschoss ist es gelungen, viel Licht über die großzügigen Fenster hineinzuholen. Wir haben hier durchgängige Fensterfronten, die das Tageslicht hereinholen und gleichzeitig eine imposante Aussicht ermöglichen für die Forststation und den Bürgersaal. Generell wurde versucht alle neuen Trennwände soweit als möglich transparent auszuführen, entsprechend dem Sinn ein transparentes Rathaus für den Bürger zu schaffen, wo er sich ohne Probleme zurecht findet. So sind im Erdgeschoss die neuen Trennwände für die publikumsintensiven Büros als verglaste Trennwände einsichtbar, sodass man gleich erkennt ob das Amt frei oder besetzt ist und die geforderte Privacy eingehalten werden kann. In den Obergeschossen wurden sämtliche neuen Decken mit Akustikgipsplatten verkleidet, welche eine angenehme Raumakustik schaffen und gleichzeitig konnten damit die neuen Lüftungskanäle der kontrollierten Be- und Entlüftungsanlage verkleidet und die neuen Beleuchtungskörper integriert werden. Die gesamte Beleuchtungsanlage wurde in allen Geschossen mit neuen energiesparenden Beleuchtungskörpern ausgestattet. Die gute Raumakustik mit der andauernden Frischluftzufuhr und dem Luftwechsel sowie die arbeitsgerechte Beleuchtung schaffen für die Mitarbeiter ein angenehmes gutes Arbeitsklima im neuen Rathaus.

Kunst am Bau des Prader Rathaues: Was hat es damit auf sich?
Der ursprüngliche Bauherr, die Raiffeisenkasse, hat den bekannten Meraner Künstler Peter Fellin ein Wandbild über das Thema Vinschgau/Prad malen lassen. Wir haben das bestehende wertvolle Gemälde während des Umbaues gut geschützt und am Ende einer geringfügigen Restaurierung unterzogen. Das Bild entwickelt sich vom Kellergeschoss nach oben zum Erdgeschoss und versinnbildlicht die Vinschgauer Geschichte von der Steinzeit bis zur Gegenwart. Im Kellergeschoss ist der Fund der Hirschhornspitze mit Runenschrift am Tartscher Bühel aus der Steinzeit mit der St.Veits-Kirche dargestellt und im Erdgeschoss auf einer Wand der Bischof von Chur und die Matscher Raubritter, die sich lange Zeit bekämpft haben und auf der anderen Wand eine Familie als Prader Bevölkerung mit dem Landschaftshintergrund der Prader Sand und der Ortlergruppe. Das Freskobild ist in sehr prägnanter einfacher Graphik von Peter Fellin dargestellt und bereichert heute die Eingangshalle des Rathauses.

Welche Energiebilanz weist das neue Rathaus auf?
Das Rathaus ist als Klimahaus A-Gebäude konzipiert und mit einer kontrollierten Be- und Entlüftungsanlage für alle Räume ausgestattet. Die gesamte Außenhülle, Wände, Dach und Kellerdecke sind mit umweltverträglichen Wärmedämmsystemen versehen:  z.B. sind die Außenwände mit einem Holzlattenrost aufgepolstert und der Hohlraum mit 16-25 cm Zellulosefaser ausgeblasen. Dasselbe Zellulosfaser-Dämmsystem ist auch im Dachbereich mit 32 cm Dämmstärke verwendet worden. Die nach Süden geneigten Pultdächer sind mit einer Photovoltaikanlage versehen worden und liefern erheblich mehr Strom als im Rathaus verbraucht werden kann. Weiters ist der Bauan das Fernwärmenetz angeschlossen.

Lokale Handwerker kamen zum Zug. Dazu war ein kleiner Kunstgriff notwendig, mit dem man die Qualität und die Wertschöpfung gesichert hat.
Man hat die Sanierung bzw. die Aufstockung in zwei funktionelle Baulose aufgeteilt: Das 1. Baulos bildet die Sanierung des Gebäudes als Rathaus mit Kellergeschoss, Erdgeschoss und dem 1. Obergeschoss, welches mit 10 Prozent Mehrwertsteuer verrechnet werden konnte. Das 2.Baulos bildet die Aufstockung des 2. Obergeschosses, welches als Neubau mit 21 Prozent Mehrwertsteuer verrechnet wurde. Durch die funktionelle Aufteilung in diese zwei Baulose ist man unter der Hürde von einer Million geblieben und konnte die Arbeiten nach Gewerken ausschreiben bzw. auf dem direkten Verhandlungswege vergeben.

Interview: Angelika Ploner

Publiziert in Ausgabe 18/2013

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