Aus dem Gerichtssaal - Vor kurzem hat das Zivilgericht Innsbruck das Urteil gefällt im jahrelangen Rechtsstreit wegen der tödlichen Kuhattacke auf der Pinnisalm im Stubaital. Eine deutsche Urlauberin war dort im Sommer 2014 von einer Mutterkuh-Herde zu Tode getrampelt worden, welche sich durch den bellenden Hund der Wandersfrau bedroht gefühlt hatte. Unglücklicherweise war der Terrier mit einem Karabiner an die Hüfte der Frau fixiert, sodass diese ihn nicht mehr rechtzeitig lösen konnte. Das Landesgericht war der Meinung, dass der Almbauer nur unzureichend von den Gefahren seiner Herde durch das Aufstellen eines Schildes mit dem Hinweis „Achtung Mutterkuhhaltung“ gewarnt hatte. Außerdem wäre es dem Bauern zumutbar gewesen, „zum Schutze des höchsten Gutes, des menschlichen Lebens“, am Unfallort eine Abzäunung vorzunehmen. Der Almbesitzer aus Neustift im Stubaital wurde in 1. Instanz zu Schadenersatz für den Ehemann und den Sohn der Frau in Höhe von Euro 490.000 verurteilt. Die Aufregung über das wegweisende Urteil ist nördlich und südlich des Brenners groß. Die meisten Wanderwege führen schließlich über Almwiesen. Man bezeichnet die Entscheidung als „zukunftsgefährdendes Urteil“ und „Schlag ins Gesicht für die Almwirtschaft“, bei aller Tragik der Umstände als „überraschend“, „nicht nachvollziehbar“ und „praxisfremd“, als das „Aus für die Almen“. Allen Reaktionen gemeinsam ist, dass die Entscheidung als Angriff auf die Bauern allgemein und deren jahrzehntelange Tradition der Almbewirtschaftung gesehen wird. Auch die angedrohten „Sanktionen“ ähneln sich: Schließung der Wanderwege, Einschränkung des Betretungsrechts für das Ödland, die Alm- und Weideflächen usw.. Doch bei allem Verständnis für eine spontane, auch emotional geladene Reaktion von Seiten der Betroffenen (s. jene des Konrad Senn aus Villanders: “Wir schließen die Wanderwege“) möchte ich darauf hinweisen, dass die Pflicht zur Beaufsichtigung von Tieren uns alle betrifft, den privaten Hundehalter ebenso wie den Almbauern. Also sollten es unsere heimischen Landwirte und deren Exponenten, unterlassen, sich als alleinige Opfer dieser Gerichtsentscheidung aufzuführen und nun vom Wolf abspringend auf die Kuh umzusteigen! Denn im Falle des Almvieh’s, dessen Beaufsichtigung und die Folgen für deren Unterlassung geht es vorrangig um ein organisatorisches und erst dann um ein rechtliches Problem. Gefordert wären dabei im Vorfeld schon einmal die Touristiker, welche ihre Gäste darauf hinweisen müssten, dass die Kühe zwar gutmütig und phlegmatisch sind, eine Alm aber kein Streichelzoo ist. Als nächstes müssten auf dem Weg zu den Almen, auch für den dümmsten Touristen verständliche Schilder zur Einhaltung eines Sicherheitsabstandes zu den Kühen aufgefordert werden. Schließlich kommen auch die Almbauern um eine Viehversicherung zur Abdeckung der mit der Sommerweide verbundenen Risiken herum. Danach kann und muss man von den von Unfällen Betroffenen auch eine Eigenverantwortung einfordern können, welche auch zivilrechtlich im Artikel 1227 ZGB verankert ist, welcher die Haftung ausschließt, wenn der Schaden durch Anwendung der gewöhnlichen Sorgfalt hätte vermieden werden können.
Peter Tappeiner, Rechtsanwalt
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