Der ehemalige Musiklehrer Robert Ruepp kann auf eine über 60 Jahre lange Chorarbeit zurückblicken, zuerst als Sänger im Vinzentiner Chor, dann im Konservatorium. Er war Leiter des Kirchenchores Schluderns und Gründer des Männerchores. Besonders gefordert war er stets zu Ostern und zu Weihnachten, wo sich einst ein Gottesdienst an den nächsten reihte.
von Magdalena Dietl Sapelza
Im Jahre 1960 zeichnete die RAI Bozen für die Sendung am Karfreitag die Johannespassion von H. Schütz des Vinzentiner Chores auf. Robert war Tenor-Solo-Sänger und wollte die Sendung unbedingt hören. Da seine Familie kein Radiogerät besaß, suchte er im Dorf nach einem Gerät. Fündig wurde er beim Chorleiter Walter Peer. Damit begann eine lange Freundschaft zwischen den beiden. Robert schloss sich dem Kirchenchor an, den er dann später jahrzehntelang leitete.
Robert wurde 1941 in Gmünd in Kärnten geboren. Als Optanten hatten sich seine Eltern dort kennengelernt. Die Mutter stammte aus Kortsch und war in einer Großküche beschäftigt. Der Vater, von Beruf Schuster, arbeitete als Bauarbeiter, bis er zur Wehrmacht einberufen wurde. Während eines Fronturlaubes heirateten die beiden. Die Familie lebte zuerst in einer bescheidenen Hütte und ab 1943 in einer neu errichteten Optanten-Siedlung. Im selben Jahr wurde Roberts Schwester geboren. Seine erste Erinnerung an diese Zeit verbindet er mit dem Lied „Mariechen saß weinend im Garten“, das ihm seine Mutter mit Tränen in den Augen vorsang. Und er erinnert sich an die aufbrausenden Tiefflieger und die Aufforderung der Mutter sich sofort auf den Boden zu legen. Als der vom Krieg gezeichneten Vater 1945 zurückkehrte, erkannte ihn Robert nicht wieder. Da keine Lebensmittelkarten mehr ausgegeben wurden, brachen magere Zeiten für die Familie an. Es herrschte großer Mangel an allem. Mit hungrigem Magen beobachtete Robert oft, wie sich die Kinder der Kriegswitwen in der Nachbarschaft Weißbrote und Schokolade schmecken ließen, die englische Besatzersoldaten ihren Müttern zugesteckt hatten. Das, was der Vater mit Gelegenheitsarbeiten verdiente, reichte mehr schlecht als recht zum Leben. Die Eltern entschieden nach Südtirol zurückzukehren. Da die Mutter 1948 im Gegensatz zum Vater und den Kindern noch keine Rücksiedlungsgenehmigung bekommen hatte, musste sie sich einem Fluchthelfer anvertrauen, der sie bei Sillian über die Grenze brachte. Bei Verwandten in Schluderns kam die Familie unter. Ihre Not war groß. „Kinder i woaß nit, wos i enk kochn soll, i hon nix mear.“ An diesen Satz der Mutter erinnert sich Robert noch heute. Der Vater arbeitete wieder als Schuster. Viel brachte das nicht ein. Für die Mithilfe bei Bauern gab es Lebensmittel. Roberts nächstes Zuhause war das Obergeschoss des Schießstands am Saldurbach. Im Untergeschoss probte die Musikkapelle. „Miar sain mit dr Blosmusik ingschlofn“, schmunzelt er. Drei Sommer lang arbeitete er auf einem Hof am Lichtenberger Berg. „In ersten Johr hon i an Ounzug verdiant, in zweitn gnogelte Schuah unt in drittn drei Poor Sockn“, erzählt er. Ihm war es damals erlaubt, nur von November bis Mai die Schule zu besuchen, wie vielen anderen kleinen Knechten. Trotz der Fehlstunden war Robert ein guter, wenn oft auch aufmüpfiger Schüler. Mit der Note 10 in Singen und 10 in Religion kam er ins Vinzentinum nach Brixen. „Do kimmp a Sänger.“ So begrüßte ihn der Direktor und nahm ihn im Vinzentiner Knabenchor auf. Die Mutter war froh, dass ihr Bub im Heim nun genügend zu essen hatte. Die Familie daheim war inzwischen um zwei Geschwister gewachsen, die er jedoch selten sah. Ein Spiritual begeisterte ihn im sechsten Vinzentinum-Jahr so sehr, dass er überlegte Priester zu werden. Doch er verwarf den Gedanken und verließ im Jahr darauf sogar die Schule, um ins Lyzeum nach Meran zu wechseln. Da es mit der Aufnahmeprüfung nicht klappte, trat er den Militärdienst in Piemont an. Nach der Rückkehr fand er eine Anstellung bei der Bahn. Zuerst war er Schrankenwärter in Mals, und dann gab er Fahrkarten aus. Zu seinen liebsten Freizeitbeschäftigungen zählten das Singen im Kirchenchor, aber auch das Fußballspielen, die Leichtathletik und das Theaterspielen. Doch über allem stand seine große Liebe zur Musik, die ihn schließlich zum Besuch des Konservatoriums in Bozen bewog. Er erwarb das Abschlussdiplom für Operngesang und begann zu unterrichten, zuerst in der Mittelschule Schlanders und dann bis zu seiner Pensionierung in Mals. 1971 heiratete er die Lehrerin Theresia Donner (Jg. 1947) aus Schluderns, die ihm drei Kinder schenkte. Nach Jahren in einer Wohnung zog die Familie 1977 ins Eigenheim. Mittlerweile war Robert längst Leiter des Kirchenchores und auch des 1976 gegründeten Männerchores, mit dem er ein weltliches Repertoire einstudierte und auch auf Reisen ging. Legendär sind die Konzerte beim Partnerchor in Buhlheim vor 600 Leuten. Als Chorleiter legte Robert stets großen Wert auf einen stimmigen Klangkörper. Er sang immer auch selbst mit. „S‘ Singen isch pa miar olm in Vordergrund gstond“, betont er. „Singen isch mai Lebm.“ Mit seinem Einsatz hat er auch das Leben in der Dorfgemeinschaft bereichert.