Dienstag, 16 April 2019 12:00

Warnschuss auf den Geschlossenen Hof

Aus dem Gerichtssaal - „Der Bauer hat nur ein Kind“. Auf dieses alte deutsche Rechtssprichwort geht unser Höferecht zurück. Die Bajuwaren haben das Anerbenrecht im 6. Jahrhundert ins Land gebracht, seither hat es unsere bäuerliche Welt geprägt. Im Jahre 2010 entfielen in Südtirol von 20.000 landwirtschaftlichen Betrieben über 13.000 auf geschlossene Höfe! Also ein Erfolgsmodell, entstanden zum Zwecke der Sicherung eines wirtschaftlich gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes speziell in Berggebieten. Denn wenn es dort im Zuge jeder Erbfolge zu der vom römischen und italienischen Recht geforderten Realteilung gekommen wäre, hätte das zur Entstehung von Zwergwirtschaften und in der Folge zur Entvölkerung der Bergregionen geführt, wie wir sie, mit allen damit verbundenen negativen Auswirkungen, im benachbarten Trentino, besonders aber in den Bergregionen des Apennin und der italienischen Alpen beobachten können. Die Abweichung vom Grundsatz der Erbengleichbehandlung ist also unter der Voraussetzung gerechtfertigt, dass damit der Bestand von lebensfähigen bäuerlichen Betrieben gefördert wird.
Ein bedeutsamer Fall wurde in diesem Zusammenhang unlängst vor dem Verwaltungsgericht in Bozen verhandelt. Ein Bauer aus St. Christina in Gröden hatte für seinen auf 1.600 M.ü.d.M. gelegenen geschlossenen Hof die Auflösung beantragt: er selbst sei alt und gebrechlich, keines seiner Kinder sei an der Bewirtschaftung des Anwesens interessiert, das Wohn- und Wirtschaftsgebäude baufällig, der Ertrag des Hofes unzureichend. Die Örtliche Höfekommission lehnte das Gesuch ab, ebenso die Landeshöfekommission, und zwar mit der Begründung, der Bauer könnte an der Hofstelle immerhin 8 Ferienwohnungen errichten und daraus ein ausreichendes Einkommen erwirtschaften. Das Verwaltungsgericht hob die Entscheidung der Landeshöfekommission wegen „Befugnisüberschreitung“ auf: Bei der Berechnung des tatsächlichen Durchschnittsertrages eines Hofes könnten die Einkünfte aus der Tätigkeit „Urlaub auf dem Bauernhof“ nicht berücksichtigt werden, da es sich dabei um eine „nicht-landwirtschaftliche Nebentätigkeit“ handle. Für das Höfegesetz sei einzig und allein der aus der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen erzielte Ertrag und nicht ein hypothetisches Einkommen aus Nebentätigkeiten heranzuziehen. Diese Entscheidung hat, sollte sie einer Berufung vor dem Staatsrat standhalten, über den Anlassfall hinausreichende Folgen. Sie hat jedenfalls für Aufregung bei den Spitzenvertretern der Landwirtschaft vom LR Schuler abwärts gesorgt. Sollte als Reaktion darauf daran gedacht sein, über eine Novelle des Höferechts die missliebige Entscheidung des Verwaltungsgerichts auszuhebeln, dann möchte ich auf den Art. 42 der Verfassung hinweisen, der ein Abweichen vom Erbengleichbehandlungsgrundsatz nur für sachlich begründete Anliegen erlaubt, also für die Sicherung von bäuerlichen  Betrieben  im  Berggebiet, nicht aber von Beherbergungsbetrieben. Anders und in einfachen Worten ausgedrückt meinen die Verwaltungsrichter: ein Hof, der nur über den künstlichen Sauerstoff einer landwirtschaftsfremden Nebenaktivität am Leben erhalten wird, verliert seine höferechtliche Existenzberechtigung.
Peter Tapppeiner, Rechtsanwalt

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Publiziert in Ausgabe 8/2019

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