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Es ist lieb gewordene Tradition beim Vinschgerwind im Rahmen des Sonderthemas BAUEN Architekturgespräche zu führen. In dieser Ausgabe wird diese Tradition mit den TARA Architekten Heike Pohl aus Latsch und  Andreas Zanier aus Meran fortgeführt. Ein Gespräch über Visionen, Traumberuf und architektonische Entwürfe, die gehen müssen, wie ein Germteig.

Interview: Angelika Ploner I Transkription: Thea Gurschler

 

Vinschgerwind: Tara steht für?
Heike Pohl (lacht): Na so ganz genau wissen wir es selbst nicht mehr. Tara ist das Gewicht der Hülle, das ein wertvolles Netto zu einem repräsentativen Brutto werden lässt. So kann man es sich herleiten. Aber auch ohne große Interpretation steht tara für alle hier, die gemeinsam die Projekte ausarbeiten. Alle hier sind tara.

Vinschgerwind: Wie viele sind Sie momentan im Team?
Heike Pohl: Im Moment sind wir neun Architekten*innen. Dabei sind wir bunt gemischt: Frauen und Männer, Teilzeit und Vollzeit, deutsch und italienisch, aus Griechenland, der Slowakei …. bald kommt eine Mitarbeiterin aus Bayern.

Vinschgerwind: Klopfen die Architekten einfach bei Ihnen an?
Heike Pohl: Wir suchen immer wieder nach neuen Mitarbeiter*innen und kriegen auch laufend Initiativbewerbungen. Wir treffen relativ viele der Bewerber, um im persönlichen Gespräch zu verstehen, wer zu uns passt. Wir möchten Mitarbeiter*innen ins Team nehmen, die länger bleiben, die zur Konstanz aber auch zur Vielfalt beitragen, was in Summe die Qualität unserer Arbeit ausmachen.

Vinschgerwind: Ist Tara ein dynamisches Architekturbüro? Kann man das sagen?
Heike Pohl: Ja, ich denke schon. Dynamisch in dem Sinne, dass wir immer wieder neue Aufgaben und neue Orte bearbeiten. Das straft uns teilweise auch, weil man sich immer wieder in neue Themenbereiche einarbeiten muss. Wenn man endlich Schulbaurichtlinien auswendig kann, kommt s36 lana hotel stadele schreyerdavidals nächstes ein Hotelbau an die Reihe. Das stimuliert natürlich auch. Es verlangt unseren Mitarbeiter*innen einiges ab, aber wir sind der Meinung, dass dies eine gute Voraussetzung ist, um immer wieder mit einer wachen Unvoreingenommenheit an Aufgaben herangehen zu können.

Vinschgerwind: Was sind die Vorzüge in einem so vielfältigen Team zu arbeiten?
Andreas Zanier: Vor allem der ständige Austausch. Je mehr Leute, desto mehr Köpfe, desto mehr Meinungen. Natürlich ist es ein Aufwand, diese Meinungen dann zu konkretisieren, zusammenzuführen und auf den Punkt zu bringen. Aber ich glaube, der ständige Austausch macht ein Projekt besser und bringt letztendlich Qualität.
Heike Pohl: Das bringt Tiefe und Dichtheit. Aber dieser Prozess braucht Zeit, deshalb nehmen wir uns für die Entwürfe auch diese Zeit. Wir wollen die Möglichkeit haben, einen Ansatz wegzulegen, ihn nach eine Weile wieder in die Hand zu nehmen und ihn zu hinterfragen. Es ist wie ein Germteig, den man x-mal durcharbeiten und immer wieder gehen lassen muss.
Andreas Zanier: Durch den ständigen Austausch bringt jeder seine Qualitäten ein. Der Architektur tut dieser Austausch sehr gut.

Vinschgerwind: Wie lange arbeiten Sie am Entwurf eines Projekts?
Heike Pohl: Ganz unterschiedlich.
Andreas Zanier: Ein paar Wochen bis zu ein paar Monaten. Man nimmt einen Entwurf, legt ihn weg, lässt ihn sacken, dann holt man ihn wieder heraus, diskutiert ihn nochmal und dann, bis man ihn ausgearbeitet hat, vergeht auch wieder Zeit – auch bei kleineren Projekten.
Heike Pohl: Wir sind nicht diejenigen, die aufwachen und eine klare Projektvision haben oder die die geniale Idee auf die Serviette skizzieren; das gibt es bei uns so gut wie nie. Natürlich hängt es von der Komplexität der Aufgabe ab, aber zwei bis drei Monate Bearbeitungszeit bedingen wir uns üblicherweise aus. Wenn der Entwurf dann präsentationsreif aufbereitet ist, beginnt der sehr spannende Austausch mit den Bauherr*innen. Welche Rückmeldungen, welche Zweifel haben sie? Damit gehen wir in die Überarbeitung und Vertiefung. Da fordern wir auch ein, dass sich unsere Bauherr*innen einbringen. Beide Seiten haben einen gewissen Aufwand, aber es entstehen eben auch maßgeschneiderte Projekte, die sich die Bauherr*innen dann zu Eigen machen. Das ist unser Anspruch.

Vinschgerwind: Wieso sollte man Sie bzw. Ihr Team als Architekten beauftragen?
Heike Pohl: Ich glaube, man sollte mit uns arbeiten, wenn man sich auf eine Entdeckungsreise begeben will.

s36 latsch wohnbau schreyerdavidWenn man sich wirklich einlassen will auf einen Prozess, der bis zu einem gewissen Punkt auch offen sein darf. Also, wo nicht schon von vorn herein klar ist, was herauskommen muss.
Andreas Zanier: Dabei bleiben wir zielorientiert und lösungsfokussiert. Aber die Erfahrung hat uns über die Jahre gezeigt, dass Projekte oft daran scheitern, dass die Kund*innen von vornherein eine fixe Vorstellung haben und sich nicht auf neue Ideen unsererseits einlassen. Wer Lust hat, sich auf unsere Ideen einzulassen und diese dann gemeinsam weiterzuentwickeln, der ist bei uns richtig.

Vinschgerwind: Ist Architektin bzw. Architekt der Traumberuf?
Heike Pohl: An manchen Tagen schon und an manchen nicht. Es ist ein sehr herausfordernder Beruf, weil er ja nicht nur den Entwurf beinhaltet, sondern auch einen riesigen verwaltungstechnischen, genehmigungstechnischen und ausführungstechnischen Bereich. Es gilt viele Hürden zu nehmen und man braucht sehr viel Energie. Aber dann ist der Beruf phasenweise wirklich sehr traumhaft.

Vinschgerwind: Wenn ein Projekt zum Beispiel in der Endphase ist?
Heike Pohl: Ja, das ist oft eine sehr angespannte Phase. Aber auch wenn man genehmigungstechnisch gegen eine Wand rennt oder der Kampf um die Kosten schlagend wird, kann es sehr ermüdend sein. Wir fragen uns in diesen Momenten immer: Aber wollen wir wirklich etwas anderes tun? Und die Antwort lauten dann immer: Nein, wollen wir nicht.
Andreas Zanier: Das versuchen wir auch unseren Mitarbeiter*innen mitzugeben: Architekt*in sein ist nicht nur rumskizzieren. Das ist eigentlich ein minimaler Anteil des Berufes. Aber alle Teilbereiche tragen zum Gelingen eines Projektes bei.
Heike Pohl: Und die Kreativität braucht es in all diesen Bereichen: in der Detailplanung, bei den Ausschreibungen, in der Bauleitung, auch im Umgang mit allen Beteiligten. Wir müssen es schaffen, die Kreativität durch den ganzen Prozess mitzunehmen. Dann macht Architekt*in sein Spaß und man kann deutlich bessere Ergebnisse erzielen.

s36 DP CarezzaHouse 005Vinschgerwind: Planen und bauen Frauen anders als Männer?
Heike Pohl: Frauen planen anders als Männer, Vinschger planen anders als Psairer. Jeder einzelne kann eine andere Facette miteinbringen, das ist nicht so sehr nur eine Geschlechter-Sache. Möglichst unterschiedliche Blickwinkel bringen ganz unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund.

Vinschgerwind: Wie behaupten Sie sich in einer Männerdomäne? Ist Architektur überhaupt eine Männerdomäne?
Heike Pohl: Es ist schon so, dass auf dem Bau noch – vor allem die Ausführenden – zum Großteil Männer sind.

Vinschgerwind: Aber merkt man auf dem Bau einen anderen Umgang?
Heike Pohl: Also, ich glaube, dass das Bauen – nicht unbedingt, weil es männerdominiert ist – schon eine raue Disziplin ist. Aber wie überall geht es darum, sich auf die Menschen einlassen, um zu verstehen: Was sagen sie mir in ihrem Ton? Man muss nicht unbedingt zurückpöbeln. Viel mehr geht es darum zu verstehen, was die inhaltliche Frage. Dann kann man mit fast jedem reden.
Einer Frau gegenüber sind manche am Anfang übertrieben zurückhaltend, andere müssen gleich mal ordentlich poltern. Aber das legt sich alles. Es gibt ja sehr viele Architektinnen und es ist schön, wenn mehr und mehr von ihnen auf den Baustellen präsent sind.

Vinschgerwind: Architektur im Vinschgau: Wie würden Sie diese beschreiben?
Heike Pohl: Sehr reich und vielfältig. Wir schauen immer gern, was im Vinschgau entsteht und es gibt viele Sachen, die man auch wirklich mit Freude entstehen sieht.

Vinschgerwind: Zum Beispiel?
Heike Pohl: Wir haben während unseres Studiums bewundernd auf das Tun von Werner Tscholl, Walter Dietl, Arnold Gapp und vielen weiteren Vertretern aus jener Generation geblickt. Aber natürlich sind in der Zwischenzeit natürlich sehr, sehr viele nachgekommen und die Dichte an ambitionierten Architekt*innen ist nach wie vor gegeben.

s36 Perbellini HotelSaltus 002Vinschgerwind: Pustertal und Vinschgau ticken architektonisch demnach anders?
Heike Pohl: Schon ein bisschen...
Andreas Zanier: Ja, schon.

Heike Pohl: Also, man hat das Gefühl, dass im Vinschgau eine Neugierde da ist, etwas Interessantes zu machen.

Vinschgerwind: Welche Herausforderungen gibt es in Ihrem Beruf und derzeit ganz besonders? Stichwort: Nachhaltiges Bauen
Andreas Zanier: Nachhaltiges Bauen ist das Gebot der Stunde.
Das ist heute keine Glaubensfrage mehr sondern eine allgemeine Voraussetzung.
Heike Pohl: Natürlich können wir da alle noch ganz viel lernen, wir sind da noch gar nicht so weit gekommen. Da ist noch Luft nach oben.

Vinschgerwind: Muss das Klimahaus weiterentwickelt werden?
Heike Pohl: Ich glaube nicht, dass es sich rein am Klimahaus festmacht. Ich glaube, dass es wirklich eine Bewusstseinsbildung bei den Bauherr*innen ist: bestehende Bausubstanz als Wert anzusehen, Materialien bewusst zu wählen und so vieles mehr. Natürlich spielt der Kostenfaktor immer eine Rolle, das wissen wir. Es hat sich da in den zehn Jahren unserer Bürotätigkeit schon viel getan und es wird sich auch weiterhin viel tun, also da ist schon viel in Bewegung.
Andreas Zanier: Und wie bei allem versuchen wir offen sein: offen für neue Sachen, offen für neue Entwicklungen. Dabei wollen wir aber nichts unreflektiert anwenden, man darf sich ruhig fragen: macht das wirklich Sinn oder ist das jetzt Mode und Zeitgeist?

Vinschgerwind: Die Teuerungen sind momentan ein Problem. Die letzten eineinhalb Jahre sind schwierige Jahre.
Andreas Zanier: Die Steigerung der Baukosten in Kombination mit der Steigerung der Zinsen macht es gerade für einen mittleren Stand und für die Einfamilienhaus-Bauer schwierig. Diese Projekte haben ein Kostenniveau erreicht, das für sehr viele nicht mehr zu stemmen ist.

Vinschgerwind: Themenwechsel: Wie wichtig sind Ihnen lokale Materialien?
Heike Pohl: Die sind oft so wichtig, dass sie einen entscheidenden Ansatz eines Entwurfes ausmachen. Da kein ein Material oder ein Objekt so entscheidend sein, dass es der Kondensationskern ist, an dem sich eine schöne, überzeugende Idee aufbauen kann.

Vinschgerwind: Die rote Farbe beim Projekt „Wohnanlage Kirchplatz“ in Latsch zum Beispiel...
Heike Pohl: Ja zum Beispiel. Da haben wir nicht nur die Farbe sondern auch das Material eingehend diskutiert. Aber die ziegelrote Metallbahnenfassade sitzt ja nicht vorne am Platz, sondern bleibt in zweiter Reihe. Im Hinterhof standen oft Werkstätten, Schuppen oder andere kleinere Gebäude, für die eine Blecheindeckung typisch war. Der Gebäudeteil, der an den Platz angrenzt fügt sich mit einer Putzfassade bewusst ins Häuserensemble ein, während der rückversetze Gebäudeteil über Farbe und Material eine starke Identität erhält. Da hat es zuerst sicher auch Zweifler gegeben, aber jetzt, wo es fertig ist, sieht jeder, dass da kein störender Faktor ist.

Vinschgerwind: Ein Projekt, an dem Sie gerade arbeiten?
Andreas Zanier: Das sind immer sehr viele Projekte parallel. Wir haben üblicherweise um die20 Projekte, an denen wir aktiv arbeiten, wenn sie sich auch in unterschiedlichen Phasen befinden.
Heike Pohl: Was uns jetzt gerade in Bezug auf den Vinschgau freut: Wir haben letztes Jahr den Planungswettbewerb für die Platzgestaltung des Kirchplatzes in Latsch gewonnen und da gehen wir jetzt in die Planung. Das ist eine schöne Aufgabe. Auch mit dem Gebäude für Kindergarten und Feuerwehr in Taufers, welches erst kürzlich fertiggestellt wurde, haben wir eine große Freude.
Andreas Zanier: An zwei Hotelentwürfen arbeiten wir zurzeit, in Meran ist der Umbau des Ex-Bersaglio-Gebäudes kurz vor der Fertigstellung, in Tarsch ist der Neubau einer Hofstelle in der Endphase. Also, es sind ganz unterschiedliche Projekte und das ist einfach das, was uns immer wieder gefällt.

Vinschgerwind: Wie gelingt es ein Haus als Spiegelbild der Menschen, die darin wohnen, zu planen und umzusetzen?
Heike Pohl: Für uns ist vielmehr schwierig etwas zu planen, wo wir nicht einen Menschen als konkretes Gegenüber haben.

Vinschgerwind: Sie brauchen einen Menschen, um planen zu können?
Heike Pohl: Ja, den Menschen brauchen wir eigentlich immer. Ohne den können wir gar nicht planen. Und wenn es bei manchen Projekten keinen realen Menschen als Gegenüber haben, erfinden wir ihn uns einfach.

Vinschgerwind: Wie gehen Sie an ein neues Projekt heran? Sie haben den Menschen vor sich…
Heike Pohl: Den Mensch, den Ort und die Aufgabe. Wir versuchen immer, der Aufgabe auf den Grund zu gehen. Die Analyse einer Aufgabe, die Auseinandersetzung mit dem Menschen und das Interpretieren des Ortes sind die drei Faktoren, mit denen wir immer starten.

Vinschgerwind: Ein Projekt, das Sie unbedingt realisieren möchten?
Andreas Zanier: Mit den Klassikern der Architekten-Wunschliste – einer Kirche und einem Museum – haben wir uns jeweils in einem Wettbewerb auseinandergesetzt. Das hat Spaß gemacht, aber es gibt noch so viel mehr.
Heike Pohl: Für uns ist alles Neue interessant. Wenn es morgen eine Mechaniker-Werkstatt sein darf oder ein Haubenrestaurant, dann gehen wir mit Begeisterung dran. Hauptsache, der architektonische Anspruch ist gegeben.

Mals/Graun/Taufers/Glurns/Schluderns - Im Kulturhaus Mals findet vom 20.02.24 bis 29.02.24 die Ausstellung „Log In“ zu digitalen Lebenswelten statt. „Log in“ führt auf unterhaltsame und interaktive Weise durch die faszinierende Welt digitaler Versuchungen und kreativer Möglichkeiten. Sie zeigt die versteckten Tricks beliebter Apps, die Macht von Social-Media und was Glücks- und Videospiele gemeinsam haben.
„Log In“ gibt Einblick in die Facetten der digitalen Welt und lädt dazu ein, die Hintergründe von Apps und sozialen Medien zu verstehen. Neben den Führungen für Mittelschüler aus Mals, Graun und Glurns sind auch Führungen für Eltern mit Tipps im Umgang mit Medien in der Familie am 21.02.24 um 19 Uhr und Führungen für interessierte Erwachsene am 23.02.24 um 18 Uhr und am 28.02.24 um 19 Uhr möglich.
Die Ausstellung wurde vom Forum Prävention gemeinsam mit Jux Media Lab, Julia Dissertori und Jugenddienst Lana entwickelt und ist eine Gemeinschaftsaktion der Bibliothek Mals, Bibliothek Taufers i.M., Bildungsausschuss Mals, Gemeinde Mals, Schulsprengel Mals, Bezirksservice Bildungsausschüsse Vinschgau, Schulsprengel Graun, Schulsprengel Schluderns, Bildungsausschuss Schluderns, Bildungsausschuss Glurns/Taufers i.M., und Bildungsausschuss Graun. (lu)

 

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Montag, 05 Februar 2024 14:52

St. Sebastian in Platz und die Platzersuppe

Latsch - Zum Weiler Platz auf 1225 m in der Gemeinde Latsch gehören der Platzmairhof der Familie Siegfried Wellenzohn und der Platzhof der Familie Ernst Tscholl. Neben den Höfen steht eine Kapelle, die heute im Besitz der beiden Familien ist. Die Kapelle wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts von Thomas Platzer vom nahen Platzhof errichtet und vom Churer Bischof im Jahre 1605 dem hl. Sebastian und Fabian geweiht.
1782 fiel die Kapelle der Aufhebung Kaiser Josefs II. zum Opfer und verfiel immer mehr. Der schleichende Verfall wurde erst 1987 durch die Erneuerung des Schindeldaches gestoppt. Bis zum 400-Jahr-Jubiläum im Jahre 2005 wurden die Fassaden, die Wand- und Gewölbeflächen saniert und die Kapelle mit neuen Fenstern und einer Tür versehen. Die Inneneinrichtung der Kapelle (Bänke, Bilder, Figuren) spendierten die Nachkommen der Familie Andreas und Maria Tscholl („Andrleit“), die im Zuge der Option im Jahre 1940 nach Österreich auswanderten. Andreas Tscholl, geboren am Platzhof, verstarb 1947 in Österreich. Sein Sohn Gottfried Tscholl hat die Figur des hl. Sebastian in der Kapelle geschnitzt.
Zu Sebastani (20. Jänner) und zum Kirchweihtag, am ersten Sonntag nach Gallus (15. Oktober) wurde früher immer eine Prozession oder ein Bittgang abgehalten. Dabei bekamen die Teilnehmer eine warme Suppe, die sogenannte Platzer Suppe. “Das letzte Mal haben wir zum 400-Jahr-Jubiläum eine Platzer-Suppe gemacht und drüben bei der Kapelle gegessen“, erzählt Erna Wellenzohn, die Bäuerin vom Platzmairhof. Die Platzer Suppe war eine einfache Rindssuppe mit hartem Brot, mit Fleischstückchen und etwas Grünzeug vom Garten. „Mein Opa erzählte, dass früher einer der beiden Höfe die Suppe machte und der andere Hof das Brot und den Wein spendierte“, erinnert sich Ernst Tscholl, der Bauer am Platzhof. Es kamen die Leute der Umgebung, man saß zusammen und unterhielt sich. Heute gibt es dies alles nicht mehr. Das Kirchlein St. Sebastian in Platz hat bis heute nichts von seiner Faszination verloren. Der hl. Sebastian ist heute noch einer der beliebtesten Heiligen überhaupt und wird als Patron gegen alle möglichen Krankheiten angerufen. (pt) 

Dienstag, 06 Februar 2024 16:04

Was braucht Schlanders?

Schlanders - Und wohin soll sich Schlanders entwickeln? Das sind die zentralen Fragen, die in einem aufwendigen, teuren und partizipativen Weg durch das Gemeindeentwicklungsprogramm für Raum und Landschaft (GProRL) für die nächsten 10 Jahre beantwortet werden sollen. Bei der Bürgerversammlung am 31. Jänner gab es erste Zwischenberichte. Für die Arbeiten der vier Fachleute bzw. Beraterfirmen werden 369.523,36 Euro ausgegeben.

von Heinrich Zoderer

Zwei Stunden wurde nur referiert. Als um 21 Uhr die Diskussion begann, gab es heftige Kritik über diese „Unsitte“ in Schlanders. Ulrich Weger, der Architekt und Koordinator zum Erstellen des Entwicklungsplanes gab einen ausführlichen Überblick über die Siedlungsentwicklung. Wichtig sind die Festlegung der Siedlungsgrenze, die Leerstandserhebung, die Entwicklung eines Landschafts- und Tourismuskonzeptes und ein Mobilitätskonzept. Latsch und Schlanders sind von 1971 bis 2022 überdurchschnittlich stark gewachsen. In den nächsten 10 Jahren wird Schlanders kaum wachsen, aber mehr Haushalte haben. Es wird um rund 77 Personen und 129 Haushalte zunehmen. Alina Hager, Raumplanerin der Firma „Kommunaldialog Raumplanung“ aus Niederösterreich meinte, dass es eine gute Anbindung an das Zug- und Busnetz gibt, die Fußgängerzone als große Stärke wahrgenommen wird, es aber bei der Siedlungsdurchgrünung noch fehlt. Die Beraterfirma „rcm solutions“ von Christoph Koch und Mathias Brugger führte Workshops und eine Bürgerbefragung durch. Von den 5.327 Fragebögen kamen 1.438 (27%) zurück. Positiv wurden dabei die Erreichbarkeit, das Ortsbild, die vielen Infrastrukturen, das kulturelle Angebot und der Zusammenhalt bewertet. Für die Mobilität wird nach wie vor das Auto benutzt, viele möchten E-Biks anschaffen. Problematisch sind die hohen Wohnungs- und Mietkosten. Angst machen Klimaveränderung und Wasserknappheit. Als Bürgerkonsens wird das Bestreben nach einer nachhaltigen Entwicklung, sozialer Verantwortung und kultureller Vielfalt angegeben. Als Spannungsfelder werden vor allem die Parkplatzdiskussion (braucht es zusätzliche oder nicht) und das Kasernenareal (Abbruch und Neubau oder Sanierung des Bestandes) genannt. In der Diskussion ging es fast ausschließlich um die Zukunft des Kasernenareals. Da Kortsch und Schlanders zusammenwachsen wird das Kasernenareal mit dem Bahnhof in Zukunft das Zentrum von Schlanders. Durch eine Sanierung der bestehenden Gebäude könnte leistbares Wohnen leichter realisierbar werden. Der Wohnungstrend, auch gefördert durch die Initiative „Neues Europäisches Bauhaus (NEB)“ der EU-Kommission geht in Richtung Bauerhaltung und Sanierung. Die Drususkaserne könnte zu einem Alleinstellungsmerkmal werden, so Hannes Götsch von der BASIS Vinschgau. Mehrere Diskussionsteilnehmer:innen kritisierten die Gemeindeverwaltung, die krampfhaft am Masterplan festhält, der vor 10 Jahren erstellt wurde. Das Bauen am Bestand, das Mitberechnen der Grauen Energie ist der neue Trend, wenn man vom nachhaltigen Bauen spricht. Braucht Schlanders 150 Wohnungen für rund 500 Personen allein im Kasernenareal? Wird durch einen Neubau leistbares Wohnen realisiert? Warum will man wieder eine 08/15 Wohnsiedlung aufziehen? Vorgeschlagen wurde, einen Ideenwettbewerb auszuschreiben, damit ein Alternativprojekt zum Neubaukonzept vorliegt und eine bessere Abwägung möglich ist. Gerda Wellenzohn regte an, die bauhistorischen Untersuchungen von Heimo Prünster und die Masterarbeit über die Sanierung der Gebäude von einem Studenten aus Wien in einer öffentlichen Veranstaltung vorzustellen. Julia Pircher fragte nach, wie der reelle und der potentielle Leerstand erhoben wird und ob auch eine Kubaturerhöhung in den verschiedenen Zonen vorgesehen ist.

Montag, 05 Februar 2024 14:50

Energieanbieter

AFI-Umfrage - Laut der italienischen Regulierungsbehörde für Energie, Netze und Umwelt ARERA wurde das Ende des geschützten Strommarktes von Jänner auf Juli 2024 aufgeschoben, um in der Zwischenzeit In-formationskampagnen zu starten und so die betroffenen Verbraucher:innen bei der Wahl des vorteilhaftesten Angebots auf dem freien Markt zu unterstützen. Betrachtet man die Ergebnisse der Winterausgabe des AFI-Barometers, wird sofort klar, dass dies auch dringend notwendig ist: Die Verbraucher tappen vielfach noch im Dunkeln, vor allem was die Preis- und die vertragliche Transparenz anbelangt. „Südtirols Arbeitnehmer:innen sind zwar nicht gerade zufrieden mit den Kosten ihrer Gas- und Stromverträge, gleichzeitig hält sich aber auch ihre Wechselbereitschaft in Grenzen“, unter-streicht AFI-Direktor Stefan Perini.
Ab Juli gelten für jene Kund:innen des geschützten Energiemarktes, die keinen Energieanbieter auf dem freien Markt gewählt haben, die „gestaffelten Schutzdienstleistungen“ („servizio a tutele graduali“). Diese sollen nach Aufhebung des geschützten Preises einen allmählichen Übergang zum freien Energiemarkt ermöglichen. Das AFI | Arbeitsförderungsinstitut hat in der Winterausgabe des AFI-Barometers genauer untersucht, wie gut die Südtiroler Verbraucher:innen für den Übergang auf den freien Energiemarkt gerüstet sind. Angelehnt waren die Fragen einer thematisch ähnlichen Erhebung, die ARERA auf gesamt-staatlicher Ebene im Jahr 2019 durchgeführt hatte.

Montag, 05 Februar 2024 14:49

Volkstanzgruppe Schlanders ehrt Mitglieder

Schlanders - Der Obmann der Volkstanzgruppe Schlanders Manfred Ratschiller hatte am 13. Januar zur Vereins-Jahreshauptversammlung beim Schupferwirt in Schlanders eingeladen. Im Mittelpunkt standen Höhepunkte des Vereinsjahres 2023 und letztlich der Obmann selbst. Der Grund: seine 50 Jahre im Dienste der Volkstanzgruppe Schlanders. Die Laudatio hielt Ehrenmitglied Hubert Kuppelwieser, selbst jahrzehntelang Obmann. Die Ehrenworte auf den Jubilar, der fast seit den Anfängen der Gruppe dabei und erst der zweite 50 Jahr-Jubilar in der Vereinsgeschichte ist, hörten sich letztlich wie ein Auszug aus den Vereins-Annalen an. „Er ist ein hervorragender Tänzer und man konnte sich auf Manfred immer schon verlassen“, zollte der Laudator dem Obmann Anerkennung und die Vereinskollegen dankten es ihm mit einem Vinschger Bergmotiv des Morterer Künstlers Herbert Rechenmacher. Bezirksobmann Norbert Kofler überreichte die Urkunde und schickte voraus, dass die goldene eingefasste Ehrennadel im Rahmen der Landesversammlung der Volkstanzgruppen Südtirols am 9. März in Deutschnofen von der Landesobfrau übergeben werde.
Ebenfalls geehrt, für 40 Jahre Mitgliedschaft, wurde Karin Pirhofer. Obmann Ratschiller zog Parallelen zu ihrem Fleiß und ihrer Umtriebigkeit in einem Insektenhotel in Apfelform, das die Geehrte zusammen mit der Urkunde und der Ehrennadel in Gold entgegennehmen konnte.
Fleißig waren auch die Tänzerinnen und Tänzer im abgelaufenen Vereinsjahr: zu den Höhepunkten zählten zweifelsohne eine Fahrt nach Hamburg zu einem ehemaligen Vereinsmitglied, der Auftritt zum Erntedankfest in der Schlanderser Pfarrkirche oder der selten aufgeführte Tiroler Fackeltanz, der zur Sommersonnenwende im Juni am Schlanderser Pavillon getanzt wurde. Letzterer wurde zusammen mit der Volkstanzgruppe Eyrs aufgeführt und Obmann Ratschiller nutzte die Gelegenheit, die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit anderen Volkstanzgruppen des Vinschgaus zu unterstreichen. Diese passiere auch im Rahmen von Vereinsproben und die Schlanderser freuen sich regelmäßig über die Probenteilnahme anderer Gruppenmitglieder des Vinschgaus. Bezirksobmann Kofler erinnerte dabei auch an den am 14. Juli 2024 stattfindenden Almtanz auf der Lyfialm in Martell und die Aufführung des Bindertanzes am 9. August in Bozen als zwei gruppenübergreifende Veranstaltungen. Gemeindereferentin für Schule und Kultur Monika Wielander dankte den Geehrten und allen Vereinsmitgliedern. 

 

Interessierte können unverbindlich zu den Proben mittwochs um 20:30 Uhr ins Probelokal beim Musikpavillon Schlanders kommen.

Schlanders/Vinschgau - Für Forschen und Experimentieren steht das Realgymasium, für Sprachen erlernen und kommunizieren das Sprachengymnasium in Schlanders. Am Tag der offenen Tür am 3. Februar wurden die Klassenzimmer geöffnet und Einblick in Sprachen, literarische und wissenschaftliche Fächer gegeben. Die Mittelschüler:innen kamen mit den Oberschüler:innen ins Gespräch, erhielten Informationen aus erster Hand, experimentierten und waren angetan vom Engagement der ganzen Schulgemeinschaft des Real- und Sprachengymnasiums, den Ausbildungsmöglichkeiten und vom Schulalltag, in den Einblick zu geben keine Mühen gescheut wurden. (ap)

Montag, 05 Februar 2024 14:47

31. Filmvorstellung der Amateurfilmer

Latsch/CulturForum - Der Obmann vom Amateurfilmer Verein Vinschgau, Leo Lanthaler, konnte im CulturForum Latsch 10 neue Videofilme bei der 31. Filmvorstellung ankündigen. Gezeigt wurden mehrere Kurzfilme von 3 bis 5 Minuten und Filme von 7 bis 20 Minuten. In diesem Jahr gab es vier Filme über Latsch und die Fraktionen, davon drei Gemeinschaftsfilme. „Betend übers Joch“ heißt der 20-minütige Dokumentarfilm von Leo Lanthaler, wobei die Wallfahrt von St. Martin am Kofel nach Unsere Frau in Schnals gefilmt wurde. Ein Filmteam von sechs Personen hat die 7-stündige Wallfahrt gefilmt und auch mit Drohnen fantastische Luftaufnahmen gemacht. In einem Making Off wurde über die Entstehungsgeschichte und das Einbauen der Musik der Gruppe ZeitLous berichtet. Christian Lintner hat mit anderen Vereinsmitgliedern eine Dokumentation „250 Jahre Bürgerkapelle Latsch“ gemacht. Gezeigt wurde ein Trailer von 7 Minuten. Der ganze Film über das vielfältige Wirken der Bürgerkapelle wird am 17. Mai vorgeführt. In einem weiteren Gemeinschaftsprojekt unter der Organisation von Ulrich Schwienbacher wurde das „6. Feuerwehr - Oldtimer – Treffen Latsch 2023“ vom 21. – 23. Juli dokumentiert. Adolf Steinkeller, der Gründer und 1. Präsident vom Amateurfilmer-Verein hat eine 11-minütige Dokumentation über die „Einweihungsfeier des Besinnungsweges Tiss Goldrain“, gestaltet vom Künstler Arthur Rinner Hornbacher, präsentiert. „Fliegen mit dem Wind“ nennt sich ein Kurzfilm von Roman Wiesler über das Kitesurfen am Reschensee. „Bis zum Mond“ heißt das Musikvideo von Ulrich Schwienbacher mit Sophie Rabanser & der Miss Südtirol Mara Kerschbaumer. Beeindruckende Naturaufnahmen hat Leo Lanthaler in seinem Tierfilm „Im Reich der Schneehühner und Gämsen“ eingefangen. Lehrreich war der 4-Minuten-Film „Brotbacken – Dinkelbrot mit Walnüssen“ von Alois Winkler. Siegfried Schnitzer gelingt es immer wieder das Publikum zum Schmunzeln zu bringen, so auch diesmal mit dem 3-Minuten-Sketch „Die Scheidung“. (hzg)

Heimatbühne Prad

Wenn Jugendliche Ideen sammeln und dazu ein Theaterstück schreiben, so ist das ein untrügliches Zeichen, dass deren Theaterbegeisterung groß ist. In Prad waren es sechs junge Leute, die ihre Ideen gebündelt und als Bühnenstück zu Papier gebracht hatten. „Der Autor Toni Bernhart hat das Stück gelesen und war begeistert“, erklärte Regisseur Alfons Paulmichl bei der Uraufführung am 27. Jänner 2023 im Raiffeisensaal von „aquaprad“. Der Inhalt dreht sich um Personen, die in die Pension „Stillen Post“ geladen werden und Drohbotschaften erhalten. Das sorgt für Verunsicherung und gegenseitigen Verdächtigungen. Letztendlich wird klar, dass die Gäste einst mit dem Bruder der Rezeptionistin die Schule besucht und ihn durch Mobbing in den Selbstmord getrieben haben. Das Stückes forderte das Publikum und warf viele Fragen auf, die nur zum Teil eine Antwort fanden. Für Gesprächsstoff und Irritationen war gesorgt. Das dürfte ganz im Sinne des Lektors Bernhart gewesen sein. Die jungen Akteure auf der Bühne zeigten sich vor ansprechendem Bühnenbild von ihrer besten Seite. In ihnen schlummert ein großes, teils noch verstecktes, schauspielerisches Potential, das - wenn richtig geweckt und begleitet - zu großen Erfolgen führen könnte. (mds)

Dienstag, 06 Februar 2024 15:01

Kultur: Jagd und Jäger

Wenn ein Stück Wild erlegt ist, dann gehe ich hin, kniee vor dem erlegten Stück nieder, nehme den Hut ab, bekreuzige mich, sage dem hl. Hubertus Dank, ich berühre das Tier und sage, dass das Erlegen eine Notwendigkeit ist, dass dies dem Schutz von Wald und Weide dient. Danach hole ich den Hauptbruch, einen Zweig von einem nahe gelegenen Baum. Von dem Zweig trenne ich den Erlegerbruch ab und stecke diesen auf die rechte Seite meines Hutes. Ein anderes Zweigstück ist der „letzte Bissen“ und den stecke ich dem erlegten Wild zwischen die Zähne.“ Manuel Oberhofer erzählt diesen Jägerbrauch, der so oder so ähnlich von sehr vielen Jäger gegenüber einem erlegten Stück praktiziert wird. Es gehe um Achtung, um Respekt, auch um das Weiterpflegen von Ritualen, sagt Oberhofer. So habe er das von seinem Großvater gelernt.
Manuel Oberhofer ist seit 22 Jahren leidenschaftlicher Jäger und seit 2022 Revierleiter des Jagdreviers Kastelbell-Tschars. Es ist ihm ein Anliegen, zu erläutern, dass Jäger eben nicht nur Wildtöter sind, wie es landläufige Meinung ist, vor allem in den Städten. Die Jagd beinhaltet viele s26 jagdrevier 2und vielfältige Aufgaben. Das Herausholen von Wild hat längst nichts mehr damit zu tun, für die Familie eine willkommene und möglicherweise überlebensnotwendige Abwechslung auf den tristen Speiseplan zu bekommen. Der atavistische Jagdinstinkt hat längst seine Bedeutung verloren.
Es geht um das Regulieren eines zwischenartlichen Ungleichgewichts. Auch der Schaden für Wald und Weide soll in ertragbaren Grenzen gehalten werden. Auch soll möglicher Schaden für Menschen im Zaum gehalten werden.
Jäger sein ist kein Beruf. Jäger:innen sind Jäger:innen in ihrer Freizeit. In den letzten Jahren hat sich die Jagd gewaltig geändert. Das zeigt sich gerade in den abgegrenzten Revieren, wie sie im mittleren Vinschgau anzutreffen sind. Skitourengeher, Wanderer, die mit Stirnlampen zum Sonnenaufgang auf Gipfel steigen, Biker - die Freizeitnutzung am Berg hat den Druck auf das Wild erheblich erhöht. Die Jäger müssen heute teilweise bis zu 20 Mal auf die Jagd gehen, bis sie ein vom Abschussplan vorgegebenes Stück Wild herausnehmen können.
Manuel Oberhofer erklärt am Beispiel des Jagdrevieres Kastelbell-Tschars die Aufgaben der Jägerschaft. Es sind gerade diese Wochen, von Mitte Dezember bis zum 1. Mai, in denen etwa der Gebietswildzaun instand gehalten wird. Der Gebietswildzaun verläuft am Hangfuß des Nörderbergs und am Hangfuß des Sonnenberges durch den gesamten Vinschgau hinauf bis nach Laas. Im Revier Kastelbell-Tschars gilt es, rund 20 Kilometer Gebietswildzaun instand zu halten. Diese Arbeit, die rund 350 Stunden pro Jahr beansprucht, haben die Jäger dem Jagdaufseher Paul Gassebner in weiten Teilen übertragen. Der Gebietswildzaun verhindert den Wildwechsel. Ohne Zaun würde viel Wild im Winter vom Nörderberg auf den Sonnenberg wandern, auf Nahrungssuche, auf der Suche nach wärmeren Einständen. Der Wildwechsel würde sich in den landwirtschaftlichen Gütern unmittelbar durch Fraßschäden auswirken und auch zu Verkehrsunfällen führen können. Also schützt der Gebietswildzaun die landwirtschaftlichen Güter und vor allem auch vor auch tödlich verlaufenden Unfällen auf der Durchzugsstraße.
Diese Verhinderung eines Wildwechsels erhöht auf der Nörderbergseite den Druck auf den Wald: Verbissschäden an Jungbäumen mit damit einhergehenden Wachstumsbehinderungen, so dass die Schutzfunktion des Waldes eingeschränkt wird. Um diesen Druck und auch den Druck auf den Gebietswildzaun zu vermindern, werden Winterfütterungen durchgeführt. Die Jägerschaft kauft Heu von den umliegenden bäuerlichen Betrieben an, lagert es in den dafür vorgesehenen Hütten bei den Futterständen ein und bringt das Heu im Winter je nach Witterung bis zu zweimal die Woche in die Stände.
Die Hochstände sind im Laufe des Winters instand zu halten oder neue zu errichten. Gerade in dieser Zeit von Windwürfen und vor allem des Borkenkäfers mit möglichen großflächigen Ausschlägerungen sind neue Hochstände nützlich, um dem aufkeimenden Jungwald Schutz vor Verbiss bieten zu können.
Auch bringen die Jäger Wildsalz zu ausgesuchten Salzstellen. Auch damit werden Verbissschäden minimiert. Denn das Wild benötigt Salz und holt es sich durch das Schälen von Baumrinde.
Die Jäger im Revier Kastelbell-Tschars haben an der Sonnenseite Überwasser aus einer alten Wasserleitung in Tränken geleitet, die dem Wild und auch anderen Tieren als Wasserstellen dienen.
Auch werden alte Weideflächen freigeschnitten, um Äsungsflächen für Rehwild frei zu halten. Das kommt auch anderen Tierarten wie Schmetterlingen und Neuntöter zugute und trägt auch zur pflanzlichen Biodiversität bei.
Im Revier Kastelbell-Tschars zahlen 3 Jägerinnen und 67 Jäger den jährlichen Mitgliedsbeitrag. (Zum Vergleich: Im Jagdbezirk Vinschgau gibt es 12 Reviere, 837 Jäger und 42 Jägerinnen, 11 Jagdaufseher.) Seit 2009 haben die Jäger:innen oberhalb der Sportzone Schlums ein eigenes, gemütlich eingerichtetes, für Versammlungen und Treffs gut geeignetes Jagdhaus mit Kühlzelle. Das Jagdhaus ist Mittelpunkt der Jägerschaft im Revier. Jeder Jäger hat eine Schlüssel und damit Zutritt für die Benutzung - auf Vertrauensbasis. Die Kühlzelle ist derzeit leer. Sie füllt sich in der für die Wildarten abgestuften Jagdzeit zwischen dem 1. Mai und dem 15. Dezember. Mehrmals.
Alle Reviere in Südtirol bekommen vor der Jagdzeiteröffnung einen Abschussplan. Dieser wird aufgrund von Wildzählungen, die im März April erfolgen, aufgrund von Schätzungen und aufgrund des vorigjährigen Abschussplanes von einer Kommission aus Vertretern der Jagd, aus Vertretern des Amtes für Jagd und Fischerei/Forst und aus Vertretern der Landwirtschaft erstellt. Der Abschussplan ist für jedes Revier bindend. Die örtliche Jägerschaft macht das ganze Jahr über Wildzählungen und Beobachtungen.
Für das Revier Kastelbell-Tschars waren im vorigen Jahr allein beim Rotwild rund 140 weibliche Tiere und knapp 50 Hirsche vorgesehen. Dazu kommen Entnahmen für Rehwild und Gämsen. Dass sich die Kühlzelle füllt, ist da kein Wunder. Das Erlegen von Reh- und Gamswild wird, weil im Revier Kastelbell-Tschars wenige Abschüsse vorgesehen sind, in einem ausgeklügelten System den Jäger:innen jährlich zugelost. Wem das Losglück hold ist, lässt seiner Freude freien Lauf, erzählt Manuel Oberhofer.
Die Jagd ist durch ein Landesgesetz (vom 17. Juli 1987) geregelt, das Wild ist Eigentum des Staates, die Jäger sind für die Hege, für die Entnahme, für die Schutzfunktionen gegenüber Dritten verantwortlich. Tritt ein Schaden auf, so müssen diesen die Jäger begleichen. Der jeweilige Jagdaufseher wird von den Jägern im Revier angestellt und bezahlt. Mit Mitgliedsbeiträgen und Wildfleischverkauf an EU-zertifizierte Metzger werden in einem austarierten finanziellen System die anfallenden Kosten in einem Revier beglichen.

 

Die Jagd ist eine soziale Angelegenheit und grundsätzlich für jeden offen. Im Jagdrevier Kastelbell-Tschars sind mehrere Generationen von Jägern unter einem Dach. 2022 konnte ein Mitglied 60 Jahre Mitgliedschaft feiern, heuer wird dasselbe ein weiteres Mitglied begehen können. Neben den Altersgruppen sind auch viel verschiedene Berufssparten vertreten. Ab einem Alter von 18 Jahren kann die Jägerprüfung nach einem intensiven Revierpraktikum abgelegt und dann der Jagdgewehrschein erworben werden. Die Kandidatin oder der Kandidat muss 5 Jahre in der jeweiligen Gemeinde ansässig sein.
Das Jagdhaus in Schlums tut den Jägern bzw. der Gemeinschaft im Revier für physische Präsenzen, zu Geselligem, für Feiern, für Beratungen und für Versammlungen gut. Für virtuelle, direkte und unmittelbare Nachrichten dient den Jäger:innen eine Whatsapp-Gruppe. Das habe gemeinsam mit dem Bemühen des Jagdaufsehers und dem Bemühen jedes einzelnen Mitglieds viel zur Beruhigung innerhalb der Jägerschaft beigetragen, weil die Informationen direkt fließen, sagt Manuel Oberhofer.
Kühlzellen sind in den Revieren eine Notwendigkeit. Das Wild liefert kostbares Fleisch, weil die Nahrungsaufnahme, mit Ausnahme der Winterfütterung, eine ausschließlich natürliche ist. Für die Qualitätssicherung des Wildfleisches sind genaue Hygienebestimmungen vorgesehen, die zuletzt mit dem Dekret des Landesveterinärdirektors Paolo Zambotto am 22. Dezember 2024 aktualisiert worden sind.
Jagdhornbläser sind oft Teil eines Reviers. In Kastelbell-Tschars sind es seit 25 Jahren die „Jagdhornbläser Spielegg“ mit 12 bis 14 Mitgliedern, die im Revier musikalische Bräuche der Jäger mitbegleiten und damit mit für Zusammenhalt sorgen. Jede Wildart hat eigene Melodien. Wenn es in der Jägerschaft oder von einer Jägergruppe gewünscht wird, werden die Melodien für Hirsch, Rehbock und Gams beim „Todverblasen“ gespielt. Die Jagdstrecke wird vor den Toren des Jagdhauses gelegt und mit der Melodie „Hirsch tot“ oder „Gams tot“ das Wild verblasen. Es ist dies ein letzte Ehre für das erlegte Wild. Der jeweilige Jäger tritt vor sein erlegtes Stück, nimmt den Hut ab, und mit einer Bekreuzigung wird dem hl. Hubertus gedankt und so dem erlegten Wild innerhalb der Jägerschaft die letzte Ehre erwiesen.
Erwin Bernhart


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